Fotografieren schรคrft sicher den Blick fรผr alltรคgliche Dinge und man lernt tatsรคchlich auch das Sehen. Es kann aber ebenso belastend sein, stรคndig die Gegend nach mรถglichen Motiven zu scannen. Ich setze mich auf einer Feier auch mal ganz gerne hin, anstatt stรคndig mit dem Foto durch die Gegend zu rennen, wenngleich es oft von einem erwartet wird.
Urlaube sind ja normalerweise ein Garant fรผr reiche Fotobeute, aber auch hier muss man mal loslassen kรถnnen. Kam ich frรผher mit รผber 1000 Fotos nach Hause , sind es heute sehr viel weniger Fotos. Die Qualitรคt und Menge der „guten“ Fotos hat sich dabei aber kaum geรคndert. Im Gegenteil! Da ich in den letzten Jahren sehr viel bewusster fotografiere, ist die Qualitรคt der Fotos gestiegen. Klar erzielt man auch Treffer wenn man mit der Schrotflinte in den Wald schieรt, die gezielten Treffer machen mir jedoch sehr viel mehr Freude.
Eine US-Studio hat nun nachgewiesen, dass wir wohl sehr viel weniger Details wahrnehmen, wenn wir alles fotografieren. Dazu hat die Psychologin Linda Henkel von der Fairfield Universitรคt einen einfachen Versuch durchgefรผhrt: Studenten sollten durch ein Kunstmuseum gehen und ich Aufmerksamkeit bestimmten Objekten widmen. Eine Gruppe sollte die Objekte fotografieren, die Vergleichsgruppe sollte sie indes nur anschauen.
Das Ergebnis war eindeutig: Die Fotografengruppe konnte die Objekte im Anschluss weniger genau wiedererkennen, als die Vergleichsgruppe, welche die Objekte nur angesehen hat. Auch konnten die Fotografen weniger Fragen zu bestimmten Details beantworten. Allerdings konnten die Fotografen die Objekte dann besser beschreiben und mehr Details nennen, wenn sie die Exponate per Zoom auf bestimmte Ausschnitte vergrรถรert hatten. Offenbar wurde dadurch aber auch der Sinn fรผr das Gesamte Objekt geschรคrft.
Natรผrlich macht man Fotos, um sich diese spรคter ansehen und Erinnerungen auffrischen zu kรถnnen. Durch die schiere Masse an Fotos eignen sich diese aber immer weniger als Gedรคchtnisstรผtze. Bei vielen Sehenswรผrdigkeiten kann man Leute beobachten die davor stehen, ein paar schnelle Fotos machen und sich dann umdrehen, um das nรคchste Highlight zu knipsen.
Ich ertappe mich hingegen immer รถfter dabei die Kamera stecken zu lassen um mich stattdessen in Ruhe umzusehen und die Eindrรผcke wirken zu lassen. Diese kann ich zwar niemandemย zeigen, aber ich kann viel darรผber erzรคhlen …
Die Studie verzerrt. Wรคhrend die einen sich aufs Fotografieren konzentrieren mussten, blieb den anderen nichts รผbrig, als danach „alles zu wissen“. Die Aufgabe war nicht klar und man kann sowohl bewusst wahrnehmen, als auch gut fotografieren in Einem. Die Studie ist somit leider nicht รผbertragbar…
Oh ja, das Fotografieren und das Fotografieren. Es gibt mehrere Typen, die Sammler und die Bedรคchtigen. Auch ich habe als Ziel, mรถglichst wenig Bilder nach Hause zu bringen. Das geht nicht anders, denn als ich mich bewuรt entschieden hatte mehr analog zu machen, bleibt dir keine andere Wahl. Das hat sich mittlerweile auch auf meine digitale Fotografie รผbertragen. Ich komme also mit weniger Bilder nach Hause, habe aber von den weniger Bilder mehr ausbeute. Und ich habe – wie du auch – mehr von dem Erlebnis, denn ich habe nicht alles durch den Sucher auf der Suche nach dem richtigen Blickwinkel betrachtet, sondern die Situation gelebt. Viele Grรผรe Jรผrgen
Das ist aber auch sehr verallgemeinert in der Studie. Es gibt nunmal oberflรคchliche Menschen und welche die Alles tiefgrรผndiger betrachten. Oberflรคchliche Menschen werden noch Weniger vom Gesehenen behalten wenn sie es nicht fotografiert haben und dann spรคter ggf. nachschauen kรถnnen. So ist es eben auch mit den Fotografen – ein tiefgrรผndiger Mensch schaut sich die Exponate trotzdem sehr aufmerksam an und fotografiert sie ggf. dann auch. Klar, die breite Handy-Knips-Masse geht oberflรคchlich mit ihren Eindrรผcken um und genau so sind dann auch ihre Bilder. Aber wer sein Motiv erst anschaut und analysiert nach einer interessanten Darstellungsweise und Perspektive, der muss sich das Objekt auch erstmal intensiv anschauen. Meine Meinung. Auch wenn ich fotografierend durch eine Ausstellung gehe, behaupte ich, dass ich ohne die Bilder angeschaut zu haben sehr viele Details zu den Objekten im Gedรคchtnis habe, bes. die, die ich fotografiert habe, weil sie mich besonders ansprechen und interessieren – dazu muss ch sie mir aber erstmal anschauen um eine Wirkung auf mich zu haben.