Warum deine Kamera absolut unwichtig ist

Von Kollegen, Freunden und Bekannten werde ich oft gefragt, welche Kamera ich empfehlen würde. Meist bekomme ich schon eine Vorauswahl möglicher Modelle präsentiert, die ins Maximalbudget passen. Meine Antwort verblüfft immer und sorgt für ungläubige Blicke.
Bitte beachte: Dieser Beitrag ist mehr als 3 Jahre alt. Manche Links, Preise, Produkte und Aussagen sind vielleicht nicht mehr aktuell!

Mit der Frage nach einer Kameraempfehlung geht beim überwiegenden Teil der Leute, die damit auf mich zukommen, eine Vorauswahl von Kameramodellen einher. Das ist insofern ungewöhnlich, als 90 % der Anfragenden keinerlei Vorwissen in diesem Bereich haben.

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Wie bei allen Anfragen – nicht nur fotografischer Natur – frage ich zuerst immer, was derjenige erreichen möchte und was die Hauptanwendungsgebiete sein sollen. Getreu dem Motto: “nenne mir keine Lösung, sondern erzähle mir dein Problem!

Die meisten Anforderungen bewegen sich im Spektrum “schönere Bilder machen im Urlaub und auf Reisen.” Auch das Neugeborene ist ein häufiger Anlass, für den eine Spitzenkamera angeschafft werden muss.

Dafür hat der Fragende auch gleich die passende Kamera ausgemacht: Wechselobjektivkameras – entweder als DSLR oder neuerdings auch als Systemkamera. Und natürlich mit möglichst großer Brennweite – gerne auch über 500 mm. Budget: so 400 – 600 Euro. Auf jeden Fall unter 1000. Und einfach bedienbar muss sie sein.

Meine Standard-Antwort: Du hast schon eine gute Kamera, nämlich dein Smartphone! 

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Innerhalb von wenigen Millisekunden werden die Augen des Gegenübers riesengroß, um dann direkt in einen stutzigen und ungläubigen Blick überzugehen. “jajaja, aaaber …das macht so keine so guten Bilder wie eine echte Kamera?”

Smartphone Fotografie mit Adobe Lightroom Mobile …

Meine Fragen bohren tiefer: “Hast du schon jemals den eine Einstellung in deiner Kamera-App verändert? Weißt du was die Belichtungskorrektur macht? Hast du schon jemals – außer mit Instagram-Filtern – ein Foto bearbeitet und würdest du dir die Zeit dazu nehmen? Bist du bereit, mehrere Objektive mitzunehmen und zu wechseln und dafür mehr als für den Kamerabody selbst auszugeben?“

All diese Fragen werden zu 100 Prozent mit “Nein!” beantwortet.

Oft lasse ich mir einige Fotos zeigen, die bereits (mit dem Smartphone) gemacht wurden. Auch hier ist zu fast 100 Prozent zu sehen, dass es keine Grundlage gibt, die eine teure Kamera rechtfertigen würde. 

Kinder werden von oben fotografiert und zum Blick in die Kamera gezwungen. Porträts im Gegenlicht sind immer zu dunkel, weil man die Belichtungskorrektur noch nicht entdeckt hat. Alles läuft auf Schnappschüsse hinaus, bei der eine teure Kamera keinerlei Verbesserung bringen würde, denn die Kamera sieht nicht für dich. Sie erkennt keine interessant Motive oder legt sich für dich auf den Bauch, damit du dein Kind aus Augenhöhe fotografieren kannst.

Sie macht auch keine Bildausschnitte oder wählt die besten Fotos aus. Sie geht nicht morgens für dich vor die Türe, um eine besondere Lichtstimmung einzufangen oder wartet in der Blauen Stunde, während du Fußball schaust. Sie ist auch zu groß für deine Hosentasche, sodass du sie bei der putzigen Aktion deiner Lendenfrucht gerade nicht parat hast. Sie erklärt sich nicht von selbst und die Fotos, die du im Automatikmodus machst, sind zu 100 % ein Zufallsprodukt.

Was sie kann, sind schnelle Verschlusszeiten und Fokussierung, wenn du unter die Sportfotografen gehen willst. Sie kann eine Blitzanlage auslösen, wenn du Studiofotografie vorhast. Sie zeigt weniger Bildrauschen, wenn du als Hochzeitsfotograf in einer dunklen Kirche Bilder machen musst – oder macht solche Aufnahmen überhaupt erst möglich. Gleiches gilt für die Astrofotografie oder wenn dein Spezialgebiet die Tierbeobachtung ist. Dann braucht man lange Brennweiten – die aber auch entsprechend teuer sind. Dann hat man aber auch die Kenntnisse, die eine solche Kamera erfordert und wählt etwas aus, weil man weiß warum.

Wenn man nicht ernsthaft zum Lernen bereit ist was die Kamera kann, die man bereits hat und wie man damit sehenswerte Fotos macht, ist eine andere Kamera rausgeschmissenes Geld.
Auf das perfekte Licht warten

Die wenigsten sind bereit, dafür Zeit und Anstrengung zu investieren. Sie glauben, dass eine teure Kamera auch gleichzeitig – auf eine irgendwie magische Weise – bessere Fotos machen würde. So wie man mit einem Steinway auch sofort Klavierspielen kann. Die Bedeutung von Belichtungszeit, Blende, Empfindlichkeit, Brennweite, Schärfentiefe etc. kann man recht schnell lernen. Deren Anwendung erfordert aber Zeit, Muse und Erfahrung.

So sicher wie das Amen in der Kirche kommt dann auch das süffisante Gegenargument an mich: “Aber du hast doch auch eine teure Ausrüstung?

Meine komplette Fotoausrüstung im Urlaub

Das stimmt! Aber ich habe auch die Kenntnisse und Erfahrung, fotografiere im Studio und nehme mir die Zeit zur Bildbearbeitung. Im Urlaub habe ich das Smartphone mit Lightroom Mobile oder maximal meine Sony RX100 III dabei, weil ich hier einen Polfilter nutzen kann und sie hervorragende RAW-Qualität liefert. Du weißt doch was RAW bedeutet? Ich will aber möglichst wenig mit mir herumschleppen.

Wenige Tage später bekomme ich dann meistens mitgeteilt, dass man sich zu einer Wechselobjektivkamera entschieden hat, die mit einem Kit-Objektiv gerade im Elektronikmarkt um die Ecke im Angebot war. Der Modusschalter steht auf “Auto” und die Kinder werden noch immer von oben fotografiert.  Und der Hebel rechts am Objektiv steht auf „M“, darum sind die Bilder unscharf. Bedienungsanleitung? Alles zu kompliziert! Ich will ja nur ein paar Fotos knipsen.

“Ach, was ich dich aber noch fragen wollte: wie bekomme ich denn die Fotos von der Speicherkarte zu Instagram?”

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23 Kommentare

  1. Klasse! Passt zu 100%. An der Stelle noch eine Anregung. Habe mir jeweils das passende Buch zur Kamera gekauft und mehr oder weniger jede Zeile verinnerlicht und ausprobiert bis zum geht nicht mehr. Dann die kritische Bildbetrachtung auf einen 4K 40″ TV. Glaubt´s mir, jede Fehleinstellung wird gnadenlos offen gelegt. Man lernt daraus und ich benötige immer weniger eine Nachbearbeitung weil die Einstellungen passen. Fotografiere natürlich weiterhin zusätzlich im RAW Format für alle Fälle. Bin nun seit 2 Jahren dabei und habe immer noch Spaß an der Sache auch wenn man für -den- Schuß einmal um 5 Uhr morgens aufstehen muss.

    • Nach etwa 12 eigenen DSLRs und etwa 50 Leihgeräten brauche ich nach 40 Jahren Fotografie (was die Hälfte der Zeit auch Teil meines Jobs ist) kein Buch zur Kamera mehr 😉 Ich halte das ohnehin für rausgeschmissenes Geld, da die Autoren nur die Bedienungsanleitung umformulieren und mit ein paar Bildern unterstützen.

      Auf meinem 5k Monitor kann ich die Bildqualität auch ganz gut beurteilen, wobei die absolute Bildschärfe für die meisten Anwendungen ohnehin keine Rolle spielt. Wie hätten wir sonst vor 15 Jahren mit unseren 6 Megapixel-DSLRs Geld verdienen können? 🙂

  2. Ja, so siehts aus. Sehr toll geschrieben. Die meisten wollen ein teures Werkzeug, wissen aber nicht wie man es bedient. Inzwischen nutze ich mein Smartphone auch fast nur noch und nicht mehr meine Spiegelreflexkamera. Eben genau, weil es immer dabei ist und auch schneller und bessere Fotos macht (Huawei P30). Gut „bessere“ ist immer Geschmacksache, aber bei 85 % der Fälle stimmt das bei mir. Und dennoch weiß ich wie man gute Fotos macht und nicht von oben herab 😉

  3. Das Smartphone könnte oft sogar Fotos machen, die mit anderen Linsen nicht so leicht bis gar nicht machbar sind. So wie ein Smart eben eine Parklücke findet, wo der AMG X7 8.0 nicht mal mehr ins Parkhaus passt.

  4. Danke für den humorvollen Artikel! Allerdings kenne ich diese Probleme nicht. Bei mir ist es eher anders rum. Meine Freunde, Kollegen etc. sind überzeugt, dass sie mit Ihren Smartphones wunderbare Fotos machen können. (Stimmt ja auch, nur wenn sie die dann gerne auf einen Quadratmeter an die Wand hängen wollen …). Die wenigen, die mich nach einer Empfehlung für eine anspruchsvollere Kamera fragen, habe dann schon Ambitionen, die über die Smartphone-Knipserei hinaus gehen.

    Und dann gibt es noch die, die Ihre total veraltete Nikon 7200 verkaufen möchten, weil die neue 7500 ja sooo viiieeel besser ist … da mach ich mich schon mal unbeliebt, wenn ich behaupte, daß bei ihren Bildern das persönliche Entwicklungspotential um ein vielfaches höher ist, als das technische.

  5. Einfach wunderbar geschrieben! Das könnte man wirklich als Standard verlinken, wenn mal wieder diese Fragen auftauchen. Erst gestern hatte ich eine kleine Einweisung, wie das denn mit Brennweite, Blende und Verschlusszeit funktioniert. Allerdings in dem Fall, weil eine große Maklerwebsite ihren Mitarbeitern eine Canon 2000D samt 10-18mm Weitwinkel aufs Auge drückt, ihnen eine 10-minütige Einweisung gibt und dann verlangt, dass perfekte Innenaufnahmen für ein Immobilienportal herauskommen…

  6. Vielleicht hast du in 3-4 Jahren Recht. Solange es keine vernünftige RAW-Fotografie bei Smartphone-Kameras gibt, bleibe ich meiner Sony-Systemkamera treu. Allerdings: Eine Vollformat-Spiegelreflex mit Wechselobjektiven bis nach Neuseeland schleppen, würde ich heute auch nicht mehr.

  7. feiner Artikel, meiner Tochter konnte ich zeigen, dass selbst ihre einfache canonkompakte einen manuellen modus und bl. 2.8 für portraits mit (bescheidenem Bokeh) hat und sie blieb dabei…

  8. Wunderbar analysiert und auf den Punkt gebracht!

    Ich habe übrigens (mit etwas schwerem Herzen) meine DSLR mit 3 Objektiven verkauft und gegen eine Sony Rx100 V eingetauscht (für 50% des Erlöses, dank der nicht neuesten Version Rx100 VII).; und habe bis jetzt die Entscheidung überhaupt nicht bereut!
    In den wenigen Situationen, wo ich mit der „alten“ Kamera ev. besser bedient gewesen wäre (z.B. besserer Zoom) hätte ich die wohl eh nicht dabei gehabt, oder ich kann mir anders behelfen.
    Die Vorteile und Kompaktheit der „Neuen“ überwiegen deutlich!

    Und ja; notfalls und mit dem richtigen Auge und Kenntnis tut es oft auch ein Smartphone 😉

    • Ja, die kleine Sony ist klasse. Die einzige Kamera, die ich unterwegs noch mitnehme. Meine DSLRs habe ich nur daheim mit meiner Blitzanlage für Blogfotos im Einsatz oder wenn ich mal eine Firmenveranstaltung, Taufe etc. fotografiere.

  9. Bekanntes Problem, leider habe ich das „Kamera mit Kit-Objektiv, aber die Bilder sind unscharf“ auch schon miterlebt nach ausgiebiger Beratung meinerseits. Man redet manchmal einfach gegen eine Wand, die zu viel Geld hat.

  10. Da fällt mir sofort der Spruch von Helmuth Newton ein:

    Der Koch: “Ihre Fotos gefallen mir, Sie haben bestimmt eine gute Kamera!”
    Helmut Newton (nach dem Essen): “Das Essen war vorzüglich – sie haben bestimmt gute Töpfe!”
    Helmut Newton

  11. Das ist bei Schnappschüssen ohne Bearbeitung okay,sonst aber ne steile These. … kleine Linse,weig Lichteinfall,kleiner Sensor (der zudem noch softwareseitig aufgemöbelt wird),nicht jedes Smartfon kann im RAW Aufnehmen,Ausschnittvergrösserungen sind Verlustreich … Sicher … im jpg-Format macht mein Smartfon hier bessere Bilder (im Tageslicht). Aber ein ‚Fotografiercomputer‘ ist schon nen Tikken besser wie ein Handy … noch!

  12. Ich möchte auch mehr mit dem Smartphone fotografieren.
    Die Frage die mich diesbezüglich interessiert.
    Muss ein ein Topmodell sein oder reicht ein günstiges Smartphone, in Bezug auf die verbaute Kamera.

    • Ein Mittelklasse-Smartphone hat heute eine Bildqualität und Auflösung, die vor wenigen Jahren noch dedizierten Digitalkameras vorbehalten war. Und wie ich im Beitrag schreibe: Es liegt nicht an der Kamera, wenn du keine schönen Bilder machst.

  13. Was nützt einem die teuerste und beste Kamera, wenn man nicht damit umgehen kann und die Grundlagen der Fotografie nicht versteht und nicht erlernen will, rein garnichts!

  14. Alles richtig und total gut geschrieben! Ich werde Teile deines Vortrags auswendig lernen und wiederverwenden, wenn mir diese Fragen gestellt werden (was gelegentlich vorkommt).

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