10 schlechte Angewohnheiten von Digitalfotografen

Die Digitalfotografie brachte zweifelsohne viele Vorteile und neue Mรถglichkeiten. Allerdings fรผhrte sie auch, z. B. durch den Sofortbild-Effekt, zu eigenartigen und teilweise auch kontraproduktiven Angewohnheiten bei vielen Fotografen. Einige, die mir aufgefallen sind – und ich mรถchte mich da auch ganz bewusst nicht ausnehmen – habe ich hier einmal zusammengefasst:

10 schlechte Angewohnheiten von Digitalfotografen

Der Kontrollblick

Der Kontrollblick ist fรผr mich der Inbegriff der digitalen Fotografie: Nach jedem Druck auf den Auslรถser, wird die Kamera vom Auge gerissen, schrรคg nach unten gehalten und das Bild kontrolliert. Meist in knallender Sonne, ohne dass zumindest das Histogramm – oder das das Gehirn – eingeschaltet wรคre. Das einzige, was mich bei so einem Kontrollblick interessieren kรถnnte, wรคre die korrekte Belichtung und die sehe ich halt nur im Histogramm. Aber viele sehen sich offenbar einfach nur an, ob da ein Bild vorhanden ist.

Wenn der stรคndige Kontrollblick schon sein muss, weil man seine Kamera nicht kennt, dann doch wenigstens mit einem aussagekrรคftigen Histogramm, denn die korrekte Belichtung, kann man bei Sonneneinstrahlung auf dem Display nicht beurteilen.

Der Kontrollblick macht auรŸerdem das Gegenรผber unsicher, da man als Fotograf das Ergebnis sofort sieht und man womรถglich noch das Gesicht verzieht. Das Model kennt aber diese Zwischenergebnisse nicht und weiรŸ auch nicht, dass man das Gesicht verzieht, weil man zu doof war, den WeiรŸabgleich einzustellen. Deshalb sollte man zwischendurch die gemachten Bilder zusammen mit dem Model durchgehen und das Model bei technischen Fehlern kurz informieren.

Die falsche ISO-Einstellung:

Da knipst man den Geburtstag der Omma in schummriger Runde und ISO 1600, damit man der alten Frau nicht bei jedem Blitz mit Leitzahl 56 den grรผnen Star von der Netzhaut ballert. Alles wunderprรคchtig und am nรคchsten Tag machen wir ein paar Landschaftsaufnahmen. Natรผrlich haben wir vergessen, die ISO-Einstellung zurรผckzustellen und die Bilder sind verrauscht. Zwar sollte der fortgeschrittene Fotograf nach zwei Fotos merken, dass da etwas nicht passen kann, wenn bei Blende 22 noch mit 1/1000 belichtet wird, aber naja …

 

Die Sucherdisplays vieler Kameras zeigen auch leider nicht immer die aktuelle ISO-Zahl im Sucher an – oder man รผbersieht diese einfach.

Deshalb nach jedem Shooting, alles zurรผck auf Standard! Alternative: Einen Kamerareset durchfรผhren. Das geht bei vielen Modellen durch das gleichzeitige drรผcken zweier Tasten (bei Nikon-SLRs sind diese mit einem grรผnen Punkt gekennzeichnet). Dabei werden ISO-, WeiรŸabgleich, Belichtungskompensation etc. wieder auf Standardwerte zurรผckgesetzt und alles ist im grรผnen Bereich. Oder man arbeitet mit der ISO-Automatik, was ich gerne mache. Meine Kamera ist auf einen Bereich von 100 bis max. 800 ISO und einer minimalen Belichtungszeit von 1/30 Sekunde eingestellt.

Menรผgewรผhle:

Moderne Kameras haben Funktionen und Menรผstrukturen, gegen die die Vorprogrammierung eines Videorecorders in den 80er Jahren ein Kinderspiel war. Fangt nicht an, wรคhrend eines Shootings im Kameramenรผ rumzublรคttern und andere Einstellungen auszuprobieren, denn das bringt meist gar nichts.

Beschรคftigt euch in einer ruhigen Stunde mit den verschiedenen Mรถglichkeiten eurer Kamera und probiert die verschiedenen Einstellungen und Auswirkungen sorgfรคltig aus.

Teurer Body – schlechte Linsen

Jaja, der Kamerabody mit seinen unzรคhligen Features und Megapixeln, liegt noch immer im Mittelpunkt des Interesses. Getreu dem Motto „Shit in – shit out“, ist aber das Glas vorne dran viel wichtiger. Warum man trotzdem an einem 1500โ‚ฌ Body noch 200โ‚ฌ Objektive sieht, ist mir schleierhaft.

Equipmentfetischismus

Genau das Gegenteil des vorherigen No-Go’s: Bevor รผberhaupt das erste Bild gemacht wurde und man herausgefunden hat, fรผr was Blende und Verschlusszeit gut sind, muss erst einmal das teuerste Equipment her. Leider macht auch die beste Ausstattung, die Fotos nicht von selbst …

Sensor-Putzwut

Ohgottohgottohgott – ich hab ein Staubkorn auf dem Sensor – wir werden alle sterben! Ja, sterben mรผssen wir sicher alle einmal, aber nicht wegen ein paar Krรผmeln auf dem Sensor, bzw. dem vorgelagerten IR-Sperrfilter. Sensorstaub ist praktisch unvermeidbar, wenn man ab und zu das Objektiv wechselt. Aber er tritt erst bei kleinen Blenden negativ in Erscheinung und fรคllt dann auch nur in gleichmรครŸigen Flรคchen wie blauem Himmel etc. auf.

Zudem kann Sensorstaub z. B. in Lightroom ganz einfach nachtrรคglich – auch in mehreren Bildern gleichzeitg – beseitigt werden.

Wenn es dann ums Putzen des Sensors geht (ganz ehrlich: das hab ich noch keine 10 mal in 5 Jahren gemacht), dann beginnen Voodoo und Aberglauben. Am besten den Sensor nur bei Vollmond unter einer 150 jรคhrigen Eiche putzen, wรคhrend man die Kamera in Richtung Mekka hรคlt. Pragmatiker wie ich geben keine 150โ‚ฌ fรผr einen Reinigungspinsel oder obskure Reinigungskits samt Spezialflรผssigkeit aus Molchaugen und kaltgepressten Elfenflรผgeln aus, sondern nehmen einen Blasebalg sowie einen Sensorklear Pen oder einfach einen Q-Tipp und etwas Methanol, wenn es wirklich hartnรคckig sein sollte. Der Sensor ist nicht aus Zucker – keine Angst!

Vorschnelles Lรถschen von Bildern

Speicherkarten sind billig und groรŸ. Im Jpeg-Format bringt man auf eine 4GB Karte gut und gerne 500 Fotos. Trotzdem wird nach einem Kontrollblick im Millisekundenbereich, schnell ein Foto gelรถscht, weil es auf dem Kameradisplay als nicht geglรผckt eingestuft wird. Damit bekommen diese Ausrutscher, die aber vielleicht eine ganz eigene, interessante ร„sthetik haben, wenn man sie mit etwas zeitlichen Abstand auf dem Monitor betrachtet, รผberhaupt keine Chance. Lรถschen kann man spรคter immernoch – wir habe doch genรผgend Platz!

Mangelhafte oder gar fehlende Datensicherung

Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Gedanken sich um technische Details der Kamera gemacht werden und wie wenige um die Datensicherung. Wenn รผberhaupt gesichert wird, dann auf unzuverlรคssige DVDs und CDs oder im besten Fall noch auf eine externe Festplatte. Was aber, wenn ein Virus auf der stรคndig angeschlossene Backup-Festplatte sein Unwesen treibt? Okay, die Mac-Fraktion hat hier einen gewissen Vorteil, ist aber auch nicht von Datenverlust gefeit.

Zu einem echten Backup gehรถrt eine zusรคtzliche Sicherung, die an einem anderen Ort gelagert wird. Wenn die Existenz von den Daten abhรคngt, ist das ein BankschlieรŸfach oder ein zusรคtzliches Online-Backup.

Richte ich spรคter!

Digitale Fotografie und allen voran das RAW-Format verzeiht viele Fehler. Deshalb ist nicht selten eine „richte ich spรคter“ Einstellung zu beobachten. Man kann ja noch schnell mal den Horizont gerade richten, die Belichtung um 2 Blende noch oben jubeln oder den WeiรŸabgleich nachtrรคglich einstellen, weil man vorher einfach unkonzentriert – oder รผberfordert war. AuรŸerdem will man alles, sich aber keinesfalls festlegen! Ein gutes Bild, kommt schon gut aus der Kamera – das ist aber nur meine Meinung ๐Ÿ˜‰

Schlechte Qualitรคt aufs Equipment schieben

Der „Ichbinniezufriedenmann“ im Ohr, flรผstert stรคndig „Es gibt eine noch bessere Ausrรผstung, damit werden deine Bilder endlich so, wie du sie dir vorstellst. Kauf das Zeug!“. Dieser „Ichbinniezufriedenmann“ wohnt รผbrigens vornehmlich in Fotoforen und Fotozeitschriften. Leider ist diese Mรคnnlein eine ganz mieรŸe Type, denn er lรผgt! Die Bilder werden gar nicht besser, sondern nur grรถรŸer oder vielleicht auch schรคrfer und mit 8 Bildern pro Sekunde kann man noch mehr schlechte Fotos in noch kรผrzerer Zeit machen …

Welche schlechten Angewohnheiten hast du beim fotografieren oder was regt dich bei anderen besonders auf?

27 Antworten zu „10 schlechte Angewohnheiten von Digitalfotografen“

  1. Jan Sieg

    Wenn ich von einem Fototermin nach Hause komme, werden als ersten die Akkus geladen, die Rohdaten rรผber gezogen und bearbeitet. Nach der Bildbearbeitung gibts ein Backup der wichtigsten Dateien. Wenn ich mit allem durch bin, kommen die Akkus in die Kamera, die karten werden formatiert und eine „Grundeinstellung“ von z.B. ISO 200, f/6.3, Verschlusszeit von 1/200s eingestellt, damit bin ich fรผr die meisten Situationen gewappnet und kann schnell variieren.

    Ich bin auch jemand der gern mal aufs Display guckt, aber i.d.R. nur einmal um zu gucken ob die Einstellungen passen, obs scharf ist und die Belichtung passt, dann wird draufgehalten ๐Ÿ™‚

    Die beste Mischung ist natรผrlich ein guter Body mit guten Glรคsern, aber nicht jeder hat das nรถtige Kleingeld fรผr beides und jeder fรคngt doch irgendwie mal klein an. AuรŸerdem kann man auch mit einer niedrig-Budget-Ausstattung tolle Ergebnisse erzielen, fragt sich immer nur wozu der Zweck dient und ob es privat oder fรผr berufliche Zwecke ist.

  2. Felix

    Also ich fotografiere (mit bewusstsein) erst seit einem guten Jahr mit einer 550d und dem Standardobjektiv 18-55, jedoch einfach aus dem Grund weil ich mir kein anderes leisten kann (Ich bin Schรผler) und trotzdem kann man gute Fotos schieรŸen… Da ich viel Landschaft fotografiere kommen anstatt eines Objektivs erstmal Zusatzmaterial wie Polfilter oder Grauverlaufsfilter dazu… denn auch mit so einem Objektiv kann man scharfe Fotos machen

  3. Jan

    In Punkt 2 “ Die falsche ISO-Einstellung“ erkenne ich mich wieder … abends das Konzert fotografiert und am nรคchsten Tag Landschaftsfotos bei strahlendem Sonnenschein mit ISO1250 fotografiert und sich gedankenlos รผber die kurze Belichtungszeiten gewundert ๐Ÿ™

    Was auch gerne vergessen wird: Den WeiรŸabgleich entsprechend um- bzw. einzustellen ๐Ÿ˜‰

    Ein weiterhin gern gemachter Fehler: Vergessen die Speicherkarte vom Vortag zu formatieren. Wenn man dann mitten im Shooting erst bemerkt, dass die Bilder vom Vorabend noch auf der Karte sind, ist es meistens schon zu spรคt.

    Fรผr die wichtigsten Punkte, die man in der Hektik schon mal vergessen kann aber nicht sollte habe ich mir eine kurze Checkliste im Scheckkarten-Format angefertigt, die liegt in meiner Kameratasche immer oben auf ๐Ÿ˜‰

    1. Das mit der Checkliste ist ja eine coole Idee! Ich kann mich bei meinen Nikons zumindest noch immer dazu durchringen, alle Einstellungen zurรผckzusetzen. Damit kann man schon mal falsche ISO- und WeiรŸabgleichseinstellungen vermeiden.

      Gerne habe ich ja auch noch eine Belichtungskorrektur eingestellt und dann vergessen …

    2. Frank Ulmer Fotografie Freibur

      das ist eine super Idee !!!

  4. Christine Athmann

    ๐Ÿ™‚

  5. Gegen die ISO hilft, manuell zu fotografieren – wer das beim manuellen Einstellen der Werte noch nicht merkt, das was verkehrt ist, hat es nicht besser verdient ๐Ÿ˜‰

  6. Das hast Du schรถn zusammengefasst. ISO erkenne ich mich manchmal wieder.

  7. Ich rede mir in meinem Bekanntenkreis oft den Mund fusselig, weil es genau die Punkte, die Du angesprochen hast, sind, die einem manchmal nerven. Insbesondere die Fraktion, die das beste Gehรคuse besitzt, aber Scherben davorknallt.

    Man kann sich den Kontrollblick auch selbst abgewรถhnen, indem man einfach die Funktion im Menรผ abschaltet.

  8. Habe den Artikel durch Zufall entdeckt…
    …und musste reichlich schmunzeln.
    Bei dem ein oder anderen Punkt habe auch ich mich wiedererkannt ๐Ÿ™‚ .

    Weiter so!

  9. Ist ja mal wieder ein kรถstlicher Artikel, allerdings macht er mir Angst! Ich glaube ich hab den Kaufdirmalbessereineneueausrรผstungnikon-Mann im Ohr. Der erzรคhlt mir in jรผngster Zeit stรคndig das ich die Marke wechseln soll, dann klappts auch mit den besseren Bildern ;-)!

  10. Guido

    Auf eine 4GB Karte bekommt man mit gรคngigen DSLRs (8-14 MP) statt 500 JPEGs eher 1000-2000 JPEGs. Die DateigrรถรŸen liegen je nach Motiv durchschnittlich eher zwischen 2 und 4 MB als bei 8 MB.

    Die Annahme „Bessere Kamera = bessere Bilder“ kรถnnte ja tatsรคchlich stimmen. Aber nur dann, wenn die Kamerahersteller endlich mal ihren Entwicklungsfokus verschieben und am gravierendsten Limit digitaler Kameras arbeiten: Dem geringem Dynamikumfang. Bei ca. 20% meiner Fotos ist das ein limitierender Faktor und auf das HDR-Gebastel habe ich wenig Lust. Aber stattdessen packt z.B. Canon in die neue 50D lieber 50% mehr Pixel. Mal abgesehen davon, dass viele Objektive das gerade zu den Rรคndern hin gar nicht auflรถsen kรถnnen, dรผrfte das dem Dynamikmumfang und Rauschverhalten nicht zutrรคglich sein.

  11. portyqui

    Wie weit geht die Bearbeitung eines eigentlich out-of-the-box Fotos?

    Ich passe hรถchstens noch den Ausschnitt an und gebe dem Bild mit Gradiationskurven mehr Tiefe, bzw. mixe auf Graustufen runter.

    Mehr ist meiner Meinung nach nicht nรถtig.

    Belichtung aus RAW Bildern nachkorrigieren ist nicht immer mรถglich. Die Belichtung muss schon bei der Aufnahme sitzen.

    Und ob es ein Schwarz-WeiรŸ Foto werden soll, weiรŸ ich in der Regel schon bei der Aufnahme, die Belichtung passe ich dann entprechend an.

    Und das mit dem Billig-Objektiv an einer Highendkamera… naja. Ich hab sowas erlebt. Ich wollte jemanden um Rat fragen bezรผglich Objektiven. Er Hatte ein Ultrazoom Tamron (glaub, keine 300 Euro) an einer D300.

    Ich hatte Mรผhe das „Gesprรคch“ zu beenden nach dem ich versehentlich gesagt habe, dass ich von so einer Kombination nichts halte.

    -porty

  12. besten Dank fรผr die Tipps, die jedoch sehr viel Aerger verursacht haben, vorallem mit dem Fรถrster.
    Nachdem ich ungefรคhr 15 Eichen gefรคllt habe auf der Suche nach der 150 jรคhrigen, endlich eine 151 jรคhrige. Eine der Eichen ist leider auf die Fototasche gefallen, ob die Kamera futsch ist? der Baum liegt noch da, hoffentlich ist wenigstens der Sensor sauber geblieben, Gruss aus dem Eichenwald. Ps bin noch auf der Suche nach Mekka?

  13. Ich finde auch dass grundsรคtzlich ein gutes Bild bereits fertig aus der Kamera kommen sollte, jedocht passieren Anfรคngern/Fortgeschrittenen wie mir noch viele „Schnitzer“ und kleine Fehler, und da ist man dann schon sehr froh wenn man dank RAW noch so einiges retten kann.
    AuรŸerdem macht es mir z.B. besonderen Spass mir ein Bild vorzunehmen und am PC zu verรคndern.

    Fazit: Man sollte auf jedenfall darauf hinarbeiten die Bilder soweit wie mรถglich fertig aus der Kamera zu bekommen, RAW stellt aber eine zusรคtzliche Absicherung dar, falls es nicht so ganz klappt ๐Ÿ˜€

  14. Sehr cooler Artikel! ๐Ÿ™‚

  15. Bei den Objektiven muss man sicher differenzieren, denn die 50mm Festbrennweiten von Nikon und Canon sind zweifellos spitze. Nur wenn an einer D300 ein 70-300 Tamron fรผr 150รขโ€šยฌ dranhรคngt, passts irgendwie nicht mehr …

  16. Ach, wie sehr ich diese sarkistischen Beitrรคge liebe. Aber ohne die ganzen Fraktionen, die du ansprichst, hรคtte man weniger zu lachen ๐Ÿ™‚

  17. Im groรŸen und ganzen sprichst du mir aus dem Herzen, wenn ich mir deine Auflistung so ansehe. Nur bei dem „billigen“ Objektiv kann ich das teilweise nicht ganz nachvollziehen – es gibt durchaus auch Festbrennweiten in diesem Preisbereich, die sehr gut abbilden. Wenn es dann allerdings an die Suppenzoom-Fraktion geht, gebe ich dir vorbehaltlos recht..