21 Millionen Euro Strafen verhรคngte das Bundeskartellamt gegen die beteiligten Firmen wegen Preisabsprachen „zum Nachteil der Verbraucher“. Diese hรคtten jahrelang Preise abgesprochen.
Die bekannten deutschen Musikseiten schweigen dazu auffรคllig. Kunststรผck: Ein Groรteil der Online-Magazine, wie Amazona, Bonedo oder Gearnews gehรถren zum Thomann Universe und der Rest profitiert hรคufig durch Partnerschaften und Werbe-Deals. Das ist auch nicht verwerflich, und Thomanns Move mit den eigenen Online-Magazinen zeigt, dass man dort einfach weiter denkt.
Preisabsprachen im Musikhandel sind ein alter Hut
Tatsรคchlich ist die Sache mit der Preisabsprache im Musikalienhandel schon sehr alt. Ich selbst habe ab 1994 einige Zeit in einem Musikgeschรคft gearbeitet, das damals zu den grรถรten in Bayern und Ostdeutschland gehรถrte, bevor die Firma Thomann durch den Schwerpunkt auf den Versandhandel groร wurde. Auch pflegten wir damals gute Kontakte zueinander. Beim Musikhaus Thomann war ich als 14-Jรคhriger zum ersten Mal und seinerzeit ging man praktisch noch durchs Wohnzimmer der Familie Thomann in die Verkaufsrรคume, die sich allesamt im Wohnhaus befanden.
Hersteller wie Gibson oder Fender machten es den Musikgeschรคften in den Neunzigern schon nicht einfach ihre Produkte zu fรผhren. Mindestumsรคtze und andere Vorgaben fรผhrten dazu, dass nicht jeder Hรคndler alle Produkte oder die Marke als solche fรผhren durfte. So sprach man sich mit anderen Hรคndlern ab, um entsprechende Produkte quer liefern zu kรถnnen, wenn ein Kunde einen Artikel anfragt, den man selbst nicht bekommen hรคtte. Und natรผrlich durfte man viele Marken nicht unter einem Mindestpreis anbieten. Bekamen die Hersteller davon Wind, konnte es sein, dass man gar nicht mehr beliefert wurde.
Ein deutscher Hersteller fรผr Beschallungsanlagen lud z. B. jedes Jahr nach Niederbayern auf einen Berg ein, um dort mit allen Hรคndlern das „Bรคrwurzfest“ zu feiern. Eine feuchtfrรถhliche Angelegenheit, bei der es natรผrlich auch darum ging, den Zusammenhalt der Hรคndler untereinander zu stรคrken. Und ein britischer Gitarrenverstรคrker-Hersteller belohnte gute Hรคndler mit einem Besuch am Standort in Groรbritannien. All-inclusive. Das war Mitte der Neunzigerjahre.
Der Schutz der kleinen Hรคndler
Durch den Boom im Online-Handel wenige Jahre spรคter wurde es fรผr viele kleine Musikgeschรคfte sehr schwierig, gegen die รbermacht von Thomann, Music Store und andere anzukommen. Damalige Top-Player wie Musik Produktiv in Ibbenbรผren, auf deren neuen Katalog ich jedes Jahr hinfieberte, konnten der neuen Marktmacht nicht standhalten und waren nur noch einer unter vielen. Auch das Geschรคft, fรผr das ich in der Gitarrenabteilung tรคtig war, ist nur noch der Schatten von damals.
Gerade diese Preisabsprachen fรผhrten aber dazu, dass diese vielen kleinen und charmanten Musiklรคden weiterhin existieren konnten. Ein befreundeter Musikhรคndler, bei dem ich 1987 zum ersten Mal mit meinem Vater war (er war Schlagzeuger) sagte vor wenigen Jahren zu mir: „Ich kann dir den gleichen Preis wie der Thomann machen! An die Preise der Firma XXX mรผssen sich nรคmlich alle halten, sonst bekommen sie das Zeug nicht mehr.“
Preisnachlรคsse gingen dadurch nur durch die Hintertรผr, indem die groรen Player Bundles (meist mit Eigenmarken) anboten, wie z. B. den Eigenmarken-Amp zum Dumping-Preis zur Fender Gitarre.
Damit wurden durch die Preisvorgaben der Hersteller die kleinen Lรคden geschรผtzt. Es mag sein, dass damit auch Preise hoch gehalten wurden. Allerdings ist Musik-Equipment heute ohnehin so billig, dass ich nicht glaube, dass diese Absprachen wirklich zum Nachteil der Kunden waren. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Fender, Roland und Yamaha die einzigen Hersteller sind, die solche Preisvorgaben hatten. Mir fielen da auf Anhieb noch mindestens 5 groรe Namen ein – wenn ich an meine eigenen Erfahrungen und die Gesprรคche mit Inhabern von Musikhรคusern denke.
Setzt man in diesem Bereich zukรผnftig auf freie Preisgestaltung, wird es bald viele kleine Lรคden nicht mehr geben, denn den Mรถglichkeiten eines Thomann oder Music Store werden diese wenig entgegensetzen kรถnnen. Letztendlich entscheidet bei vielen doch der Preis und man ist nur noch Showroom, in dem man die Gitarre mal anfassen kann, um sie dann online gรผnstiger zu bestellen.
Aber auch fรผr die groรen Player kรถnnte es bald noch enger werden, nรคmlich dann, wenn Amazon in Europa noch mehr Musikequipment ins Programm nimmt – so wie es in den USA bereits der Fall ist.
Noch ein kleiner Tipp ans Bundeskartellamt: Schaut euch mal die Kindersitz-Branche oder Sanitรคr- und Bad-Ausstatter an …
Schreibe einen Kommentar zu Christian Antworten abbrechen