Samsung Galaxy Camera im Test – Evolution oder Revolution?

Nikon machte es mit der SC800c vor und Samsung zog zur photokina 2012 nach. Die Rede ist von einer Kompaktkamera mit eingebautem Smartphone-Funkionen auf Android-Basis. Was dabei herausgekommen ist, was man damit machen kann und ob das in der Praxis aufgeht, habe ich einmal getestet.

Samsung Galaxy Camera im Test – Evolution oder Revolution?

Im Frรผhjahr letzten Jahres saรŸ ich mit dem Produktmanager und Markting-Chef eines sehr groรŸen Herstellers von Kompaktkameras – oder Point-And-Shoot-Cameras – zusammen. Schon damals beharrte ich auf meiner Meinung, dass es Kompaktkameras zukรผnftig schwer haben dรผrften, sich gegen die immer besser werdenden Handykameras durchzusetzen.

Heute geht es ja nicht mehr nur noch darum ein ansprechendes Foto machen, sondern dieses auch gleich per Facebook, Twitter etc. teilen oder auf einen Online-Speicher alร  Dropbox speichern zu kรถnnen.

Eine Kamera erst per USB-Kabel an den Rechner anzuschlieรŸen oder die Speicherkarte in einen Reader einzulegen um an die Fotos zu kommen, ist fรผr viele eben nicht mehr zeitgemรครŸ.

ร„uรŸerlichkeiten und Technik

Die Samsung Galaxy Camera macht einen ziemlich gut verarbeiteten Eindruck und ist erstaunlich groรŸ und schwer. Mit ihren 129 x 71 x 19 Millimeter Gehรคuseabmessung bringt sich glatte 300 Gramm auf die Waage.

Samsung Galaxy Camera
Samsung Galaxy Camera

Ein groรŸer Unterschied zu den meisten Smartphones (sieht man vom Nokia PureView 808 mal ab), ist sicherlich der eingebaute „echte“ Blitz, der bei Bedarf aus der Oberseite herausspringt.

Der zweite groรŸe Unterschied zum Smartphone ist der beeindruckende Zoom der Galaxy Camera. Dieser bringt es auf 21-fache VergrรถรŸerung bei einer Brennweite von 4,1 – 86 mm, was einem gigantischen Zoombereich von 23 – 481 mm entspricht, wenn man es auf das 35-mm Kleinbildformat umrechnet.

Samsung Galaxy Camera
Samsung Galaxy Camera

Damit lassen sich natรผrlich ganz andere Motive einfangen, als mit den meist nur digitalen Zooms der gรคngigen Handys. Bei der Lichtstรคrke bewegt man sich zwischen f2.8 und 5.9.

Der riesige Objektivtubus ist vielleicht aber auch einer der groรŸen Nachteile der Kamera, denn dadurch ist sie vielleicht dicker und grรถรŸer als nรถtig.

Samsung Galaxy Camera mit voll ausgefahrenem Tubus
Samsung Galaxy Camera mit voll ausgefahrenem Tubus

Einen groรŸen Unterschied zu den gรคngigen Kompaktkameras macht hingegen das groรŸe und recht helle 4,8 Zoll Touchscreen-Display mit 1280 x 720 Pixeln Auflรถsung. Hier wird รผbrigens nicht auf die Super-AMOLED-Technik des Galaxy S III gesetzt, sondern auf ein herkรถmmliches LC-Display, was aber eine realistischere Farbdarstellung und bessere WeiรŸwerte bietet.

Eingefangen wird das Licht mit einem 1/2.3 Zoll CMOS-Sensor, der eine Auflรถsung von 16 Megapixeln liefert.

Das Smartphone in der Kamera

Im Inneren der Galaxy Camera werkelt eine QuadCore CPU von Cortex vom Typ A9 mit 1,4 GHz. Intern sind 8GB Speicherplatz vorhanden, der jedoch mit einer Micro-SD Karte auf bis zu 64 GB erweitert werden kann.

Zudem nimmt die Kamera per WLAN und Bluetooth 4.0 Kontakt zur AuรŸenwelt auf. Beim Betriebssystem setzt Samsung auf Android 4.1.1 (Jelly Bean), was durch die eigene Benutzeroberflรคche „Touchwiz“ erweitert wurde. Mit der Galaxy Cam kann man alle Apps im Google Playstore nutzen. So ist auch ein Spielchen mit der Kamera mรถglich.

Touchwiz Oberflรคche
Touchwiz Oberflรคche

Telefonieren kann man mit der Kamera รผbrigens nicht (sรคhe wohl auch etwas doof aus), jedoch 3G-Datendienste nutzen, wozu eine Micro-SIM (und ein entsprechender Datentarif) erforderlich ist. Wenn es der Provider erlaubt, kรถnnte man jedoch VoIP Dienste wie Skype oder Sipgate nutzen.

In der Praxis

Beim Start merkt man, dass man es wieder eher mit einem Smartphone zu tun hat, denn die Kamera muss hochfahren und das dauert gut 30 Sekunden. Das muss man natรผrlich nicht nach jedem Einschalten abwarten, es gibt auch einen Schlafmodus, aus dem die Kamera in etwa 7-8 Sekunden erwacht. Schaltet man sie kurz hintereinander ein, vergehen knapp 2 Sekunden bis zur Fotobereitschaft.

Die Rรผckseite mit dem 4,8 Zoll Display
Die Rรผckseite mit dem 4,8 Zoll Display

Das toppt jede billige Kompaktkamera locker. Auch kann man – ganz Smartphone typisch – eine ziemlich lange Auslรถseverzรถgerung feststellen, die man so selbst von gรผnstigen Kameras nicht mehr gewรถhnt ist.

Das Display ist natรผrlich schon eine Klasse fรผr sich, kommen doch selbst teure DSLR-Kameras nicht groรŸartig รผber 3 Zoll Diagonalen hinaus. Allerdings wirken die Fotos auf dem Display deutlich knackiger, als sie spรคter auf dem Rechner erscheinen, aber auch das kennt man schon von seinem Smartphone.

Der intelligente Modus
Der intelligente Modus

Es stehen drei Modi zur Verfรผgung:

  • Auto, hier macht die Kamera alles selbst
  • Intelligent – hier kann man auf verschiedene Motivprogramme wie z. B. Sonnenuntergang, Panorama, Makro oder „besseres Gesicht“ zugreifen
  • Experte mit vollkommen manuellen Einstellungsmรถglichkeiten fรผr Blende, Verschlusszeit, ISO, Belichtungskompensation usw. Hier findet man auรŸerdem auch Blenden- und Zeitautomatik sowie die Programmfunktion „P“, wie man sie auch von einer SLR kennt.
Der Experten-Modus
Der Experten-Modus

Die Bedienung im Expertenmodus erfolgt รผber virtuelle Einstellrรคder und ist sehr ansprechend gestaltet. Tatsรคchlich ist die Bedienung dank Touchdisplay sehr intuitiv, wenngleich die Feinmotorik schon sehr in Anspruch genommen wird.

Ganz Smartphone ist auch die bescheidene Akkulaufzeit, denn der wechselbare Akku hat zwar 1650 mAh Kapazitรคt, was in der Praxis aber noch nicht mal einen ganzen Tag ausreicht. Fotografiert man etwas mehr und hat auch gleich den Upload zur Dropbox aktiviert, ist auch schnell mal nach einem halben Tag FotospaรŸ schluss.

Der Autofokus zรคhlt auch nicht zu den schnellsten seiner Gattung und hat insbesondere bei schlechteren Lichtverhรคltnissen, trotz AF-Hilfslicht, oft seine Probleme.

Die Bildqualitรคt

Das Gerรคt heiรŸt schlieรŸlich „Camera“ und darum muss sich die Bildqualitรคt auch mit einer solchen messen lassen. Diese bewegt sich jedoch ebenfalls nur auf dem Niveau einer gรผnstigen Kompakten und kann hier keine sehr groรŸe Begeisterung hervorrufen.

100% Ausschnitt ISO 100, 1/100s f/4
100% Ausschnitt ISO 100, 1/100s f/4

Vergleicht man die Qualitรคt jedoch mit den besten Handy-Kameras, sieht die Sache schon wieder anders aus, denn hier ist der Output der Samsung gerade bei schlechteren Lichtverhรคltnissen deutlich besser und auch der WeiรŸabgleich und die Farbabstimmung ist zuverlรคssiger. Durch die recht groรŸe Offenblende und den schon grotesk groรŸen Zoombereich sind zudem weiche Hintergrรผnde und geringe Schรคrfentiefen mรถglich, woran reinrassige Smartphones scheitern.

Erstaunlich gut funktioniert der Bildstabilisator und selbst ISO 800 und ISO 1600 liefern noch sehr brauchbare Ergebnisse.

ISO 800 mit 1/8 Sek. Verschlusszeit, freihand
ISO 800 mit 1/8 Sek. Verschlusszeit, freihand

Die Videoqualitรคt der 1080 Full-HD Videos liegt ebenfalls im Bereich hochwertigerer Smartphones oder gรผnstiger Kompaktkameras. Die Stabilisierung funktioniert befriedigend, wenngleich sie bei Schwenks zu deutlichen Rucklern neigt.

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Fazit

Evolution oder Revolution? Bilder und Videos sofort nach der Aufnahme teilen zu kรถnnen und dabei auch noch auf alle angesagten und fรผr Android verfรผgbaren Dienste wie Dropbox, Google Drive, Evernote, Instagram, Gmail etc. zurรผckgreifen zu kรถnnen ist ein Argument fรผr sich und das wohl schlagkrรคftigste Argument der Samsung Galaxy Camera. Der Zoombereich, die manuellen Einstellungsmรถglichkeiten, der echte Blitz und das bessere Handling kรถnnen im Vergleich zum Handy punkten.

Vergleicht man die Kamera mit einer herkรถmmlichen Point-And-Shoot, fallen die geringere Bildqualitรคt. Geschwindigkeit und Akkulaufzeit negativ auf.

Als typischen Nutzer kรถnnte ich mir Immobilienmakler, Sachverstรคndige, Bauleiter und natรผrlich Blogger gut vorstellen, denn Bilder in ordentlicher Qualitรคt schnell teilen zu kรถnnen ist hier oft sehr wichtig. Bauchschmerzen bereitet mir der Preis: 499,00 Euro UVP (StraรŸenpreis etwa 410 Euro) sind kein Pappenstiel. ย Man wird die Kamera auch kaum zum Spielen oder fรผr die herkรถmmlichen Smartphone-Anwendungen nutzen, denn dazu ist sie einfach zu unhandlich.

Trotzdem ist das Konzept interessant und man darf auf weitere Entwicklungen in dieser Richtung gespannt sein. Darum halte ich es eher fรผr einen evolutionรคren Schritt bei Fotokameras, als einen revolutionรคren. Die Revolution kรถnnen bereits die herkรถmmlichen Smartphone-Kameras fest fรผr sich verbuchen, denn durch sie wurde Fotografie ein fester Bestandteil des Alltags und ein Massenphรคnomen.

Oder was meint ihr?

Eine Antwort zu „Samsung Galaxy Camera im Test – Evolution oder Revolution?“

  1. MaWoSch

    Vom Prinzip gebe ich dir recht, das Konzept ist Super. Die Umsetzung hapert noch etwas. Und auch der Preis ist nicht konkurenzfรคhig.
    Ich hatte ja auch die Gelegenheit die Kamera zu testen. Ja, Skype geht.
    http://geotagging-blog.de/2012/12/telefonieren-mit-der-samsung-galaxy-camera/
    Aber es ist wirklich nur ein 3G (UMTS) Modem. Auf dem Land, wo das Handy in EDGE gegangen ist, war schluss mit Internet in der GC.