Ich bin ja „Gebrauchsfotograf“. Beinahe tรคglich fotografiere ich hauptsรคchlich technische Produkte, aber auch Personen in bestimmten Themenwelten, welche man eher dem Bereich Stockfotografie zuordnen kรถnnte. Es ist ein Teil meines Jobs. Diese Fotografie halte ich nicht fรผr einen kรผnstlerischen Akt. Es ist ein Handwerk. Daher gehรถrt fรผr mich die Nachbearbeitung eines Fotos ganz selbstverstรคndlich zum Prozess des Fotografierens dazu. Ich gehe hier noch weiter und sehe z. B. Lightroom in Verbindung mit RAW-Fotos als Teil meiner Kamera an und verhalte mich bei der Erstellung meiner Fotos auch so. Tatsรคchlich findet – wenn รผberhaupt – der kรผnstlerische Prozess erst bei der Bearbeitung statt.
Warum ihr eure Kamera falsch einsetzt
Schaut man sich Bรผcher fรผr Fotoeinsteiger an oder liest sich durch Blogs und Foren fรคllt auf, dass alle das Gleiche erzรคhlen: Immer auf ausgewogene Belichtung achten etc. Wie zu analogen Zeiten (und ich habe diese sehr intensiv inkl. Fotolabor und Rumpanscherei in Entwicklerlรถsung mitgemacht), muss ein Bild auch heute noch so aus der Kamera kommen, dass es auch damals als technisch gut bewertet worden wรคre. Schon damals gab es aber Fotografen, welche die Mรถglichkeiten des Fotolabors schon beim Fotografieren im Hinterkopf hatten. Abwedeln und nachbelichten (haha!) oder Dodging and Burning, wie man auf angelsรคchsisch sagt, war schon damals eine verbreitete Technik um Fotos zu strukturieren und interessanter zu gestalten. Der berรผhmte Schwarzweiร- und Landschaftsfotograf Anselm Adams setzte diese Art der Bildmanipulation bewusst ein und man munkelt, dass er das schon bei der Erstellung seiner beeindruckenden Fotos berรผcksichtigte. Auch heute gehรถrt Dodging and Burning noch zu den wichtigsten Instrumenten in der Bildbearbeitung.

Um diese Art und Weise der Fotografie in die digitale Welt zu รผbersetzen, muss man radikal umdenken, damit man die immensen Mรถglichkeiten der Digitalfotografie รผberhaupt ausreizen kann.
Es geht nicht mehr um das Foto, welches verwertbar aber langweilig direkt aus der Kamera kommt und an dem wir vielleicht noch ein bisschen am Kontrast und Bildrauschen schrauben. Es geht darum Material zu schaffen, aus dem man im Nachgang ein perfektes und aufregendes Foto herausarbeiten kann. Das bedingt aber auch, dass das Bild aus der Kamera zunรคchst unbrauchbar erscheint, weil es vermeintlich falsch belichtet ist.
Ein anderer Ansatz zu fotografieren und RAW als Bedingung
Gerade bei Auรenaufnahmen hat man das Problem, dass meist extreme Helligkeitsunterschiede herrschen. Die Belichtungsautomatik in der Kamera sucht sich – je nach Einstellung des Belichtungsmessers – einen Mittelwert zusammen. Wichtig ist jedoch, dass auch die hellsten Bereiche nicht รผberbelichtet sind, will man spรคter den maximalen Freiraum bei der Bearbeitung zur Verfรผgung haben. Es sieht nรคmlich sehr viel natรผrlicher aus Licht ins Foto hineinzubringen, als es spรคter abzudunkeln.
Um das zu erreichen, fotografiere ich praktisch immer im manuellen Modus (M) – und ich setze ausschlieรlich auf das RAW-Format. Das mache ich bei jedem Foto und mit jeder Kamera. Die Bilder, die ich damit erzeuge, sehen meist hoffnungslos unterbelichtet aus. Das passiert wohl auch vielen von euch, wenn ihr euch auf die Belichtungsautomatik verlasst. Sobald der Himmel mindestens die Hรคlfte des Bildinhalts ausmacht, sรคuft die Landschaft ab. Solche Fotos sortieren die meisten von euch aus. Das ist aber genau das Foto, das ich haben will, denn darin steckt das ganze Potenzial fรผr die Nachbearbeitung.

Wir haben bei RAW-Fotos meist 12- oder mehr Bit an Auflรถsung fรผr unterschiedliche Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal zur Verfรผgung. Meine Nikon D750 hat sogar 14 Bit und damit habe ich รผber 16.000 Abstufungen fรผr Tonwerte pro Kanal zur Verfรผgung. Zum Thema Farbtiefe habe ich HIER einmal die Grundlagen beschrieben.
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Ist fรผr mich nichts neues. Nur das ich nicht so krass unterbelichte. Tendiere eher zu 0,3 bis 1 Blende Unterbelichtung. Oftmals belichte ich aber auch einfach neutral. Beim mport n Lightroom wird dann gleich automatisch die Tiefen aufgehellt und die Lichter abgedunkelt. Meine Olympus hat so groรe Reserven sowohl in den Tiefen, als auch in den Lichtern das dafรผr genug Reserven vorhanden sind. In der Regel reicht das schon um einen ausgewogenen Eindruck zu erzeugen und ausgebrannten Himmel sicher zu verhindern. Nur bei sehr groรen Kontrasten muร ich dann noch mit lokalen Anpassungen nachhelfen. Selbst bei einem komplett weiรen Himmel reicht meist eine Korrektur von -1 EV um den Himmel wieder herzustellen.
Wie ist es denn eigentlich mit dem Bildrauschen?
Schon alleine durch das anheben der Tiefen in LR oder ACR bekommt man zusรคtzliches Rauschen in die Bilder. Oder hebt sich das durch ETTL auf, weil man durch die Unterbelichtung adhok noch einmal weniger Rauschen in den Tiefen hat?
Das hรคngt von der Kamera ab … Mich interessiert das Bildrauschen in den Tiefen recht wenig, wenn ich die Vorteile insgesamt sehe. Zudem lรคsst sich das gut herausrechnen. Bildrauschen ist doch fรผr die meisten Anwendungen eh kein Thema mehr, sonst hรคtte man 2005 auch mit keiner DSLR vernรผnftige Bilder machen kรถnnen ๐
Vielen Dank fรผr Deine Antwort ?
Wenn der Kontrastunterschied zu hoch ist, saufen die dunklen Bildanteile massiv ab. Da gelingt es nicht immer die so anzuheben, dass die brauchbar werden. Die Farbinformation leidet und das Bildrauschen ist nicht zu รผbersehen. Vo daher ist die Anmerkung durchaus berechtigt.
Fuji hรคtte ruhig der Kamera eine HDR Modus spendieren kรถnnen, der die die Nachbearbeitung entweder รผberflรผssig macht oder wenigstens deutlich erleichtert bzw. erst sinnvoll ermรถglicht.
Ich verfahre grundsรคtzlich so, dass ich immer etwas unterbelichte und mich so fast ausschlieรlich auf die hellen Bereiche eines Bildes konzentriere. Natรผrlich dรผrfen die Tiefen nicht zu sehr „absaufen“. Aber aus den dunklen Bereichen kann man immer etwas herausholen. Wenn Weiร, allerdings weiร ist bleibt es das auch. Es wird beim Versuch abdunkeln allenfalls grau.
Bearbeitung am Computer ist immer nรถtig, wenn man in RAW fotografiert. Denn es ist ja ein „rohes“ Bild.
Und wenn ich das Maximum aus meinen Bildern herausholen mรถchte brauche ich alles, was mir Kamera und Bildbearbeitung liefern kรถnnen.
Hallo Markus,
ich finden Titel auch, vorsichtig ausgedrรผckt, unglรผcklich gewรคhlt. Mindestens genauso unglรผcklich ist die Wahl einer Schwarz-Weiร Umwandlung der Rosenthal Fabrik in Selb als Beispiel fรผr die von dir postulierte รberbelichtung.
Aber richtig negativ ist mir aufgestoรen, dass die Webseite, die als Wasserzeichen in dem Bild zur Illustration der Belichtungskorrektor eingebettet ist, http://www.markus-dollinger.de, auf das Admin-Interface eines Web-Hosters fรผhrt.
Wenn Du die Webseite aufgegeben hast, solltest Du die Wasserzeichen anpassen.
Gruร
Heiko
Das Schwarzweiรbild dient als Symbolbild fรผr die Bittiefe (siehe verlinkter Beitrag). Das markus-dollinger.de Wasserzeichen im Foto stammt aus einer Zeit, als nachbelichtet noch unter dieser Domain lief und es dient auch noch als Symbolbild. Ich kann aber nicht bei etwas 2000 Fotos das Wasserzeichen anpassen – hat auch รผberhaupt keinen Sinn.
Bei Blog-Titeln ist es halt mal so, dass eine solche Formulierung schlichtweg mehr Interesse erhรคlt als „Drei Blenden geringer belichten kann besser sein“.
Es gibt sicherlich je nach Motiv bzw. Lichtsituation verschiedene herangehensweisen. Die Ettr hat den Hintergrund dass im hellen Bereich sehr viel mehr Tonwerte zur Verfรผgung stehen und daher eine Nacharbeitung sehr viel umfangreicher mรถglich ist ohne Tonwertabrisse. Bei deiner Methode sind diese aber fast vorprogrammiert. Ich wรผrde diese herangehensweise niemals generell empfehlen. Hier scheint mir HDR doch sehr viel sinnvoller. Aber wenn das Motiv HDR nicht zulรคsst z.B. wegen schneller Bewegung dann ist das o.k..
Ich behaupte wer den Anfรคngerststus hinter sich hat wird daher die Belichtung automaatisch der Situation anpassen.
Du belichtest auf den hellsten Bereich (Du schreibst zwar “ auf die hellsten Bereiche“, aber wie willst Du auf verschiedene Bereiche belichten?). Deine Betonung des manuellen Modus ist fรผr die Belichtung irrelevant, denn die Automatik tut bei gezielter Spotmessung nichts anderes.
Damit bleibt aber das Histogramm je nach Motivkontrast im rechtenTeil mehr oder weniger leer. Wie kann das – wie Du schreibst – den Dynamikbereich der Kamera erhรถhen?
Bei ETTR geht bei durchschnittlichem Motivkontrast das Histogramm vom linken bis zum rechten Rand.
Ich lasse mir aber gerne einen Denkfehler aufzeigen.
Heinz
Hmm…wenn man nach dieser Strategie fotografiert…sehe ich Folgendes richtig: Je hรถher der Dynamikumfang der Kamera, desto weniger „Klimmzรผge“ sind nรถtig? Ich fotografiere mit Olympus MFT und der hohe Dynamikumfang hat mich schon damals nach dem Umstieg von Canon APS-C schwer beeindruckt. Die Vorher-Nachher-Beispiele aus deinem Beitrag sind Pi mal Daumen der รผbliche Rahmen in welchem ich Fotos im RAW-Entwickler nachbearbeiten kann, OHNE vorher unterbelichtet zu haben oder sogar eine HDR-Reihe zu schieรen. Da muss schon viel passieren, dass dunkle oder helle Bereiche hoffnungslos „absaufen“. Von daher reicht aus meiner persรถnlichen Sicht eine gleichmรครige Belichtung vรถllig aus, da links und rechts im Histogram Details nur in echten Extremfรคllen verloren gehen.
So lange ich die Kamera zum Erstellen von Fotos verwende, verwende ich sie richtig.
Der Titel ist fรผr meinen Geschmack reichlich anmaรend.
Nicht nur, dass jeder im Foto einen anderen Blick und andere technische Methoden einsetzt, letztlich ist es der persรถnliche Geschmack, ob man das Foto nun beim Auslรถsen fertigstellt, oder in der Postproduction.
Dass es diverse technische Mรถglichkeiten in der Postproduction gibt, ist fรผr jeden, der sich mit Fotografie auch nur ansatzweise beschรคftigt, hรถchstwahrscheinlich klar. Ob man diese Mรถglichkeiten nutzen will (oder auch kann), sollte Jedem freigestellt sein, ohne die Nase zu rรผmpfen.
Mag auch das Aufzeigen der Techniken von Lightroom & Co. auf gutem Willen basieren, der Titel hat fรผr mich das Thema kaputt gemacht.