Digitalfotografie ist zweifellos eine tolle Sache. Sehr gรผnstige Speichermedien gestatten es hunderte von Fotos zu machen ohne an Kapazitรคtsgrenzen zu stoรen. Passiert es doch einmal, kรถnnen Fotos auf Imagetanks verschoben oder die offensichtlich schlechten Exemplare sofort gelรถscht werden, um weiteren Platz zu schaffen.
Der Effekt ist, dass man mittlerweile einfach auf alles draufhรคlt, was einem vor das Fotografenauge kommt. Man macht lieber mal ein Bild mehr und geht sorgloser mit dem Motiv um. Wenn man dann seine fotografischen Errungenschaften daheim am Rechner sortiert, fliegen die Nieten einfach einen Ordner und die anderen Bilder werden vielleicht per Bewertungssystem eingestuft.
Wenn ich mein Archiv betrachte, sind davon etwa 40% (fรผr mich) gute Bilder. Von einem Urlaubstrip komme ich meistens mit 700 – 1000 Bilder wieder, von denen aber vielleicht 30% richtig brauchbar sind. Der Rest verteilt sich auf Belanglosigkeiten, technische Mรคngel (falsche Belichtung, Unschรคrfe etc.) , Versionen einen einzigen Motivs usw..
Von diesen 30% guter Bilder sind dann etwa 10% richtige „Wow-Fotos“ in Zahlen also vielleicht 20-30 Stรผck.
Sicher ist die Mรถglichkeit tausende von Fotos zu machen zu kรถnnen auch eine Chance, sich fotografisch zu Verbessern, denn wie schon Helmut Newton sagte: „Die ersten 10 000 Aufnahmen sind die schlechtesten“. Um gleich mal bei den Sprรผchen zu bleiben, hier noch zwei, die einem zu Denken geben sollten:
Fotografiere niemals etwas, das dich nicht interessiert!“ (Lisette Modell)
Zwรถlf gute Fotos in einem Jahr sind eine gute Ausbeute. (Ansel Adams)
Betrachte ich nun die Bilder, die ich frรผher analog fotografiert habe fรคllt mir auf, dass hier, รผber die gesamte Menge prozentual deutlich mehr interessante Fotos dabei sind als jetzt. Warum?
Bei der analogen Fotografie hatte man zum einen die Beschrรคnkung auf 24 oder 36 Bilder pro Filmrolle. Dieser Film hatte zudem nur einen ASA-Wert, was die mรถglichen Motive schon einschrรคnkte, man konnte sein Bild nicht sofort kontrollieren und evtl. wieder lรถschen und: Analoge Fotografie war teuer. Filmkosten, Entwicklung, Abzรผge und vielleicht nochmal grรถรere Abzรผge von besonders guten Bildern kosteten einfach recht viel Geld.
Diese Beschrรคnkungen aber waren es, die den Blick fรผr das Motiv schรคrften und einen dazu veranlassten, nur wirklich wรผrdige Motive auszuwรคhlen und diese dann mit Bedacht und Ruhe, gestalterisch und technisch zu erfassen.
Ich werde aus diesem Grund einmal ein Experiment starten und mir Einschrรคnkungen bei der Digital-Fotografie auferlegen. Beim nรคchsten (privaten) Shooting werde ich
- eine Speicherkarte, die max. 40 Bilder zulรคsst einsetzen
- die Bildkontrolle ausgeschalten und auch nicht manuell einsetzen
- keine Bilder lรถschen
Ich bin schon gespannt, was dabei heraus kommt. Es ist bestimmt auch ein etwas eigenartiges Gefรผhl, war man doch die letzten Jahre immer im รberfluss mit Mรถglichkeiten und Speicherplatz versorgt. Vielleicht mรถchte der ein oder andere sich mir anschlieรen und mir von seinen Erfahrungen berichten?
Letzte Aktualisierung am 14.07.2025 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Hallo Markus,
das ist ein sehr interessanter Beitrag! Da ich auch noch aus der „Analogzeit“ komme, kann ich Deine Gedanken und Ausfรผhrungen sehr gut nachvollziehen. Ich habe noch mit einer komplett manuellen Spiegelreflexkamera der allerersten Generation angefangen (Contaflex!), wo ein Autofokus noch unbekannt war und auch die Belichtung extern gemessen werden musste. Da lernt man schon sehr viel … wie heiรt es so schรถn: „Versuch macht kluch“. Durch die Arbeit im Archiv einer Fotografin habe ich dann spรคter noch viel mehr gelernt – nรคmlich richtig „Sehen“. Es ist schon eine Herausforderung, aus bis zu 100 Aufnahmen ein- und desselben Motivs die beste herauszufiltern, vor allem, wenn sich manche Bilder nur in winzigen Details unterscheiden. Besagte Fotografin hat auch damals schon (also auch noch zu Analog-Zeiten) unglaublich viele Bilder gemacht… das hat ein biรchen auf mich abgefรคrbt, weil ich bis dato viel zu vorsichtig, bzw. zu geizig mit dem Film war – kostete ja alles Geld!
Um nun auf den Punkt zu kommen: ich glaube, es kommt – wie so oft im Leben – darauf an. Wenn man die Grundlagen beherrscht, dann ist „viele-Bilder-machen“ evt. einfach eine Frage des persรถnlichen Stils. Manche Fotografen (Reportage und Journalismus sowie Action-Shootings wie im Sport mal ausgenommen, da entscheidet oft nur der Augenblick, dann ist die Chance vorbei) machen pro Motiv nur 1-5 Fotos, andere bis zu 50. Ich stimme Dir allerdings uneingeschrรคnkt zu, daร die sorgfรคltige Vorauswahl eines Motivs unabdingbar ist. Auch dafรผr muร man sehen lernen; viele interessante Motive fallen einem erst auf den zweiten oder dritten Blick (aus dem Augenwinkel) ins Auge.
Bei mir selber habe ich bemerkt, daร ich sehr oft viele Bilder eines Motives mache, die aber dann auch „andere“ Aspekte zeigen, die mir oft beim Auslรถsen gar nicht aufgefallen sind. Ich bin ein Viel-Fotografierer und stehe dazu! Und ich habe die Erfahrung gemacht, daร das beste Bild immer dann wartet, wenn die Speicherkarte voll ist – das war allerdings auch schon so, als ich noch mit Film „geschossen“ habe … ๐
Durch die billigen Digitalkameras und die massenhafte Verbreitung von Fotos in den neuen Medien hat sich allerdings auch eine inflationรคre Bilderflut ergeben, die die meisten Menschen irgendwann langweilt, weil man sich „รผber-sieht“. Nicht jeder der knipsen kann, kann auch fotografieren – aber das war ja auch nicht das Thema.
Dem Ausspruch von Lisette Modell stimme ich uneingeschrรคnkt zu – wenn ich nicht mit Leidenschaft dabei bin, werden die Fotos nix! Dann fehlt ihnen die „Seele“, oder wie auch immer man das nennen will.
Ansel Adams schรคtze ich auch sehr, seine Kalender hรคngen jedes Jahr bei mir an der Wand! Dazu kommt noch, daร ich zum Yosemite Valley eine sehr persรถnliche Beziehung habe und mich seine Fotos immer an schรถne Zeiten dort erinnern …
Fotografische Grรผรe von
Ute