Sound Spielwiese: Arturia V Collection 8

Mit der V Collection in der 8 Version, prรคsentiert Arturia nicht nur neue Instrumente, sondern auch viele Verbesserungen bei bereits vorhandenen Synths.

Sound Spielwiese: Arturia V Collection 8

Wo beginnt man bei einer Software mit einem so riesigen Funktionsumfang? Arturia hat mit der V Collection schon viele Jahre ein Software-Paket im Angebot, das wohl alle Bedรผrfnisse nach klassischen Klangerzeugern im Plugin-Format abdeckt, die man nur haben kann. Neben Klassikern wie dem Roland Jupiter 8, Juno, Arp 2600, Minimoog, Oberheim OB-X, findet man auch Pianos, Orgeln oder Exoten wie den Buchla Easel.

Fรผr die Musik, fรผr die ich mich verschrieben habe, nรคmlich Prog-Rock und AOR, findet man im V Collection Arsenal alle unverzichtbaren Klassiker dieses Genres. Was wรคren King Crimson ohne das Mellotron („In the court of the crimson king“)? Rush ohne Minimoog und Oberheim? Journey, Asia, Yes, Genesis – gehen nicht ohne Roland, Arp und Sampler wie dem CMI Fairchild oder Emulator II.

Letzteren findet man als Emulator II V ebenso in der neuesten Ausgabe der Arturia V Collection 8, wie die Neuzugรคnge Jun-6 V, Vocoder V und den OB-Xa V. Zudem wurde der Jup-8 V4 sowie das E-Piano Stage-73 V2 รผberarbeitet.

Jup-8 V4 – das Analog-Flagschiff

Die รœberarbeitung beim Jup-8 V4 ist sehr willkommen, zeigten die frรผheren Versionen doch oft ein seltsames Verhalten bei den Oszillatoren. Das lag an der Art und Weise, wie Arturia den Drift der Oszillatoren per Software nachzubilden versuchte. Bislang wurde die Phase einfach per Zufall beim Beginn der Tonerzeugung gesetzt. Das fรผhrte oft dazu, dass der Klang eines Oszillators ausgelรถscht wurde, sobald die Phasen zufรคllig 180ยฐ entgegengesetzt waren. Damit erklang nur noch ein Oszillator und der Ton konnte plรถtzlich eine Oktave hรถher sein. Sobald die zufรคllige Verschiebung der Phase einmal erzeugt wurde, verรคnderte sie sich aber – im Gegensatz zu einem analogen Oszillator – nicht mehr, sodass der Klang eines gehaltenen Akkords statisch blieb.

Arturia JUP-8 V Plugin

Mit der Version 8 ist Arturia dieses Problem angegangen und nun haben der Jup-8 und Jun-6 „Free-running“ Oszillatoren, wie sie Arturia nennt. Damit wird das Verhalten analoger Oszillatoren nachgebildet und die oben genannten Probleme sind passรฉ.

Arturia Dispersion Panel
Dispersion Panel mit 6 Parametern

Die grafisch korrekte Darstellung der jeweiligen Instrumente hรคlt Arturia glรผcklicherweise nicht davon ab, ihnen neue Tricks beizubringen. So gibt es ein Dispersion Panel mit 4 Tasten und 6 Parametern. Damit lassen sich Oszillator-Pitch, Plusweite, Filter Cutoff, Resonanz und Contour und Modulationstiefe pro Stimme variieren, sodass der Klang noch lebendiger und organischer wird.

Auch das erweitere Menรผ mit zusรคtzlichen Modulationsmรถglichkeiten, Sequenzer und Effekten ist einfach sinnvoll und erweitert die Mรถglichkeiten eines Synthesizer-Klassikers ungemein. รœberhaupt klingt der Jup-8 V4 ganz hervorragend und mit jedem Preset und jeder Reglerbewegung kommen einem sofort Assoziationen zu bekannten Songs, wie z. B. „Separate Ways“ von Journey.

Jun-6 V neu aufgelegt

Der Juno 106 … รคhh Jun-6 V ist einer der Synthesizer-Klassiker und schon fast die Blaupause eines perfekten Analog-Synthies. Auch er hat den neuen Free-Running Modus erhalten. Zwar war der Jun-6 nicht so anfรคllig fรผr die Auswirkungen des bisherigen Drift-Algorithmus, da er nur einen Oszillator hat, aber auch er profitiert von der zusรคtzlichen Lebendigkeit, die mit der neuen Methode kommt.

รœber das die erweiterten Einstellungen erhรคlt man auch hier zusรคtzliche Funktionen wie einen zweiten LFO, einen zweiten Hรผllkurvengenerator (was eine hervorragende Ergรคnzung ist) sowie Delay- und Reverb-Effekte.

Arturia Jun-6 V Synthesizer

Der Chorus klingt fรผr mich typisch nach dem Juno-Chorus. Da mag es Feinheiten geben und Besitzer der Original-Hardware mรถgen mir vielleicht widersprechen, aber der Charakter ist fรผr mich sofort erkennbar. Zudem werden sich auch unterschiedliche Hardware-Modelle klanglich unterscheiden.

Songs wie Sweet Dreams von den Eurythmics, Time After Time von Cindy Lauper, Take on Me von a-ha sind sofort in meinem Ohr. Oh verdammt: Ich habe diese Musik das erste Mal gehรถrt, als sie tatsรคchlich neu war. Kunststรผck – ich werde in diesem Jahr 50 Jahre alt …

Sampler-Traum: Emulator II V

Der Emu II war damals der Traum vieler Keyboarder und obwohl er deutlich gรผnstiger war als die anderen Sampler dieser Zeit, bliebt er 1983 mit gut 8.000 Dollar weiterhin nur ein Traum. Seine 1 MB Hauptspeicher, 5 1/4 Zoll Diskettenlaufwerk und 27,7 kHz Samplerate waren damals eine echte Ansage und gerade die Samplefrequenz macht auch heute noch den besonderen Sound des Emulator II aus.

Arturia Emulator II V Sampler Plugin

Mit dem Arturia Emulator II V kann in nun jeder nutzen. Auch hier haben sich die Jungs von Arturia Gedanken gemacht und den Emu II mit einer zusรคtzlichen Benutzeroberflรคche versehen, welche die komfortable Bearbeitung eigener Samples erlaubt. Selbstverstรคndlich kommt auch der Emu II mit einer groรŸen Bibliothek an Sounds, unter der sich auch Klassiker wie das „Shakuhachi“ Preset befinden, das man aus dem Intro von Peter Gabriel’s „Sledgehammer“ kennt.

Emulator II Editor
Der Editor des Arturia Emulator II V

Im Netz findet man jede Menge weiterer Patches im .eii Format. Allerdings werden nur Sample-Start, End und Loops richtig interpretiert. Um die restlichen Einstellungen muss man sich selbst kรผmmern. Filter, Hรผllkurven etc. mรผssen damit manuell nachgebildet werden.

Auch der Emulator II V klingt – Arturia-typisch – sehr authentisch und einfach gut. Als ich in meinem Bรผro das „Shakuhachi“ Lick aus Sledgehammer spielte meine Frau sofort „Das ist doch aus Sledgehammer?“. Fรผr die Jรผngeren unter euch: Das Video zu Sledgehammer gilt als eines der besten Musikvideos aller Zeiten. Ich sag’s nur!

OB-Xa V – es muss nicht immer „Jump“ sein.

Mancher behauptet ja, Van Halen’s Jump wรคre das schlechteste gewesen, was dem Oberheim OB-X passieren konnte. Tatsรคchlich dรผrfte es jedoch der Song sein, von dem die meisten den Oberheim-Sound kennen. Natรผrlich war aber Jump nicht reprรคsentativ fรผr den OB-X, denn er ist extrem vielseitig und kann praktisch nie schlecht klingen.

Mir fiel der Sound und die individuelle Optik des OB-X das erste Mal so richtig auf, als ich ein Video von Rush’s „Subdivisions“ gesehen habe. Da war ich wohl so 16 oder 17. รœberhaupt spielte der OB-X eine groรŸe Rolle beim Sound von Rush und in Geddy Lee’s Keyboard-Arsenal.

Arturia OB-Xa Synthesizer Oberheim

Auch der OB-Xa V hat nicht nur den neuen Free-Running Modus fรผr die Oszillatoren erhalten, sondern auch eine zusรคtzliche Wellenform, nรคmlich Dreieck. Mit dem Cross-Modulationsregler kann man zwischen dieser und den klassischen Wellenformen รผberblenden. รœber den neuen Stereo-Modus, kann ein zusรคtzliches Panel aktiviert werden, das Einstellungen des Stereobildes zulรคsst.

OB-Xa Stereo Movement
Stereo-Modus mit „Trimmern“

Dabei zieht der OB-Xa V auch etwas mehr an der CPU, belohnt dafรผr aber mit einem sensationell vollen und lebendigen Klang.

Es stimmt auch nicht, dass man einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen kรถnnte. Arturia hat auch dem OB-Xa V zusรคtzliche Tricks beigebracht. So gibt es weitere Modulationsmรถglichkeiten, komplexere und schnellere ADSR-Generatoren.

Im Vergleich zu den Heerscharen an Minimoogs, gibt es nur recht wenige Oberheim OB-X Plugins. Der Arturia OB-Xa V klingt in meinen Ohren in der aktuellen Version jedoch am besten.

Stage-73 V2 E-Piano

Das Stage-73 E-Piano, das sich am klassischen Rhodes E-Piano orientiert, hat eine รœberarbeitung erhalten und erzeugt nun noch realistischere Klรคnge durch Physical Modelling. Nun bin ich kein Spezialist fรผr E-Pianos, aber die Umschaltmรถglichkeit zwischen einer 73er und 74er Variation dieses Modells, dรผrfte eine willkommene Erweiterung des Sounds sein, da sich beide Emulation tatsรคchlich im Klang unterscheiden.

Arturia Stage-73 Keyboard

Im Advanced-Panel findet man, wie bei den anderen Instrumenten auch, zusรคtzliche Mรถglichkeiten zur Klangformung. Darunter typische E-Piano-Effekte im Bodentreter-Format und auch (Fender) Twin kann individuell eingestellt werden, was besonders bei angezerrten Sound sehr willkommen ist. Alternativ kann man in diesem Slot auch ein Leslie einsetzen. Ebenso hilfreich ist die anpassbare Velocity-Kurve, welche eine Anpassung an die eigene Spieltechnik, als auch das Feeling des eingesetzten Keyboards erlaubt und somit zu einem ausdrucksvolleren Spiel verhilft.

Mit der Room-Einstellung stehen verschiedene Reverbs zur Verfรผgung – von Home Studio bis zum verlassenen Warenhaus. Den Power-Amp muss man รผbrigens oben links รผber dem Keyboard an- und ausstecken ๐Ÿ™‚

Der Vocoder V

Der Vocoder V orientiert sich am Moog 16 Kanal Vocoder und wurde mit zusรคtzlichen Funktionen versehen. So gibt es einen eigenen polyphonen Synthesizer, der als Trรคgersignal (Carrier) fungiert. Das ist auch gleichzeitig die Limitierung dieses Instruments, denn es kann kein externer Carrier eingespeist werden.

Arturia Vocoder V - die Klangmaschine

Als Modulatoren kรถnnen hingegen sowohl Samples als auch ein Live-Eingang z. B. von einem Mikrofon dienen um etwa die typische „Roboterstimme“ zu erzeugen. Es geht aber natรผrlich viel mehr. Mit dem passenden Material lassen sich wunderschรถne und weite Pads, Chorstimmen oder auch Streicher-รคhnliche Sounds erzeugen.

Durch die vielfรคltigen Funktionen zur Sample-Bearbeitung direkt in Vocoder V, darunter auch Time-Stretching sowie umfangreiche Funktionen zur Modulation und Automation von Parametern ist der Vocoder V mehr als ein Effekt. Er ist eine Soundmaschine, die zum Experimentieren einlรคdt und aus Loops, Drums und Samples vรถllig neue, individuelle Klรคnge kreieren kann, zumal der Vocoder V auch bis zu 12 Samples durchlaufen kann.

Was sonst noch?

Mit den Macro-Reglern kann man jeden Sound noch einmal in Klangfarbe, Brillanz, Timing und Movement modifizieren, ohne dass man zu etwas an den eigentlichen Parametern des jeweiligen Instruments รคndern muss. Hat man einen Sound gefunden, der aber etwas heller klingen und mehr Bewegung haben dรผrfte, reicht oft eine kleine Justierung an den jeweiligen Macro-Reglern.

Arturia Macro Regler
Die Macro Relger

Auch das Analog Lab hat eine รœberarbeitung erfahren, auf die ich aber in einem weiteren Beitrag eingehe. Natรผrlich gibt es auch jede Menge neuer Patches – 700 um genau zu sein – und mit dem integrierten Hilfesystem, findet man auch als Einsteiger einen schnellen Einstieg in die Bedienung der vielen Instrumente.

Fazit

Arturia hat die V Collection in der Version 8 noch einmal deutlich erweitert. OB-Xa V, Jun-6 V, Emulator II V 4 klingen hervorragend und der Vocoder V macht einfach SpaรŸ, auch ohne externen Carrier. Er ist eine wahre Klangmaschine. Die รœberarbeitung der Oszillatoren mit dem neuen Free Running Modus beseitigt einen Schwachpunkt und lรคsst die Synthesizer organischer und „echter“ klingen.

Das Browsen durch die vielen Presets inspiriert zu neuen Ideen und wenn man sich selbst nicht zu schade ist, an den Reglern zu drehen, um neue Sounds zu gestalten, ergibt sich ein Universum an Sounds und Klรคngen.

Ja, ich stehe auf die klassischen Sounds ร  la Jupiter, Juno, die alten String-Maschinen wie Solina. Ein Mellotron lรคsst mir heute noch das Herz aufgehen und eine Schweineorgel vom Typ Hammond B-3 oder Farfisa gehรถrt einfach in Rockmusik. All diese Sounds und deren Erzeuger zur Hand zu haben, ist einfach unglaublich, gierte man frรผher doch danach, wenigstens ein solches Instrument sein Eigen zu nennen. Natรผrlich gibt es Leute, die die Flรถhe husten hรถren und diese Emulationen sklavisch nach der Hardware beurteilen. Im Mix und im fertigen Song hรถrt das aber kein Mensch mehr und der Hรถrer erst recht nicht, weil er gar nicht weiรŸ, dass es diese Instrumente รผberhaupt gibt. Ein guter Song ist schlieรŸlich ein guter Song.

Mit der Arturia V Collection 8 hat man nicht weniger als 28 Instrumente zur Verfรผgung. Rechnet man den Anschaffungspreis von regulรคr 499 โ‚ฌ, kommt man auf unter 18 Euro pro Plugin! Von den ganzen Instrumenten bekommt man zum gleichen Preis vielleicht noch einen gebrauchten Casio CZ als Hardware. รœbrigens war das der erste und einzige Synthesizer in meiner ersten Band anno 1986.

Wer klare Vorstellungen vom Sound eines zukรผnftigen Songs hat, kann bei der V Collection 8 einfach ein den Werkzeugkasten greifen und hat alle jede Menge hochwertiger Sounds und Instrumente zur Verfรผgung. Aber auch Klangbastler kommen auf ihre Kosten, denn es noch immer nicht verboten, selbst neue Sounds zusammenzuschrauben. Als reine Preset-Schleuder wรคren die tollen Instrumente der V Collection auch einfach zu schade.

Gerade in der Corona-Krise kann man lange Zeit in die Welt der V Collection abtauchen und ein bisschen den ganzen Mist um uns herum vergessen. Damit kommt man auch nicht in die Verlegenheit auf andere Menschen zu treffen ๐Ÿ˜‰

Was ich mir fรผr eine Arturia V Collection 9 wรผnschen wรผrde, wรคre ein Moog Taurus Pedal und ein Roland D-50.

Mehr Infos: Arturia V Collection 8

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