Mehr als nur eine Evernote-Alternative

Persönliches Wissensmanagement mit Obsidian, Omnivore und Paperless NGX

Evernote hat wohl die besten Jahre hinter sich und ich habe viele vermeintliche Alternativen probiert. Nun bin ich fündig geworden und habe ein komplettes Universum für's persönliche Wissensmanagement betreten.

Notizen sind für mich essenziell. Ich lese viel, habe viele Ideen und die müssen sinnvoll und nachvollziehbar festgehalten werden. Außerdem bin ich kein Fan von Papier und habe gerne alles digitalisiert und auf Knopfdruck zur Verfügung.

Evernote war über viele Jahre meine Wahl, wenn es um das Ablegen von Notizen, Rechnungen, Bedienungsanleitungen und Lesezeichen ging. Über die Jahre gab es aber immer mehr Probleme und mit dem Verkauf an Bending Spoons, dürfte Evernote wohl zukünftig nur noch eine Nebenrolle spielen – wenn nicht komplett vom Bildschirm verschwinden.

Zwischenzeitlich habe ich verschiedene Alternativen wie Nimbus Note, Amplenote oder Microsofts OneNote ausprobiert. Keine davon hat mich aber bislang wirklich zufriedengestellt. Das ging an bei schlechter OCR, unzuverlässiger Synchronisierung (sogar mit Verlust von Inhalten), miesen Mobile-Apps und mehr.

Obsidian, Omnivore und Paperless NGX

Ich bin letztlich zur Einsicht gekommen, dass meine Anforderungen sehr hoch sind und keine Anwendung sämtliche Wünsche erfüllen kann und wird. Darum bin ich die Sache mit dem Notetaking, Dokumentenmanagement und der Bookmark-Verwaltung ganz neu angegangen.

Natürlich hatte ich auch immer Alternativen wie Joplin oder eben Obsidian auf dem Schirm. Allerdings habe ich mir nie die Mühe gemacht, mich wirklich ausführlich mit Obsidian zu beschäftigen. Dabei hat sich Obsidian mittlerweile fast zu einer Obsession entwickelt. Es spielt eine zentrale Rolle in meinem Tagesablauf und ist zum zweiten Gehirn geworden. PKM (Personal Knowledge Management) geht wohl mit keinem anderen Tool so gut, wie mit Obsidian.

Der Import aus Evernote funktioniert über das Importer-Plugin gut. Allerdings habe ich die Umstellung auch gleich zum Anlass genommen, einmal gründlich auszumisten. Der Importer kann aus folgenden Notiz-Apps importieren:

  • Notion
  • Evernote
  • Apple Note
  • Microsoft OneNote
  • Google Keep
  • Bear
  • Roam
  • HTML-Files

Während meine Notizen in Evernote (oder den anderen Vertretern) immer Inhalte mit ein paar Tags, aber ohne wirklichen Zusammenhang waren, ist in Obsidian alles miteinander verbunden.

Graph View meiner Obsidian Notizen. Der große „Stern“ oben, symbolisiert meine importierten Evernote-Notizen.

Einzelne Ideen oder Gedanken zu einem Thema ergeben ein großes Ganzes. Die Suche funktioniert zügig und zuverlässig und es gibt jede Menge Plugins, um den Funktionsumfang zu erweitern. Der Graph View zeigt diese Zusammenhänge eindrucksvoll und ist auch nützlich.

Zwar kann Obsidian über solche Plugins auch OCR und Inhalte von PDFs durchsuchen, das ist aber in meinem Arbeitsablauf gar nicht mehr notwendig. Diesen Part übernimmt das Open Source Dokumentenmanagement Paperless NGX, das auf meinem Homeserver läuft.

Bedienungsanleitungen, Rechnungen, Dokumente in Paperless

Selten habe ich eine Anwendung getestet, die mich so begeistert hat. Paperless NGX funktioniert einfach. Es kann Ordner überwachen, in die man einfach PDFs, Scans und Bilder wirft und Paperless NGX importiert sie automatisch.

Meine Paperless Startansicht

Dabei lernt der Algorithmus von Paperless recht schnell, um welche Dokumente es sich handelt und kann sie automatisch in passende Ordner und Kategorien sortieren. Außerdem gibt es einen automatischen E-Mail-Import, der Mails mit Anhängen erkennt und nach unterschiedlichen Regeln ebenfalls automatisch importiert.

Metadaten zu Dokumenten in Paperless NGX

Die OCR von Paperless funktioniert hervorragend – so gut, dass ich mittlerweile über 1000 Rechnungen, Verträge, Bedienungsanleitungen und andere Dokumente erfasst habe.

Paperparrot auf iOS

Es gibt einige Apps für Android und iOS, mit denen man auch unterwegs Zugriff auf seine Inhalte hat und auch Dokumente scannen kann. Unter Android nutze ich das kostenlose Paperless Mobile. Auf meinem iPad ist es Paperparrot, das mit 4,99 € doch sehr erschwinglich ist. Paperparrot lässt sich auch unter macOS einsetzen.

Epson ES-580W Einzugsscanner

Paperless NGX ist für mich zu überzeugend, dass ich mir gleich einen Epson ES-580W Einzugsscanner gegönnt habe, der direkt per WLAN in Paperless scannt. Mit 35 Seiten pro Minute, sind auch große Dokumentenbestände schnell und sicher erfasst. Er frisst sogar lange Kassenbons anstandslos und ohne zusätzliche Einstellungen. Keine Leitzordner mehr. Der Versicherungsvertrag ist in Sekunden gefunden und als Todo in Obsidian verlinkt.

Die Erfassung und Verwaltung von Bookmarks habe ich ungern in Evernote, OneNote etc. gemacht, weil mir das zu unübersichtlich war. Wenn, dann habe ich gerne die Webclipper genutzt, um Inhalte zu erfassen. Hier war der Evernote Webclipper immer mein Maßstab, da er wirklich gut funktionierte. Ansonsten habe ich meine Bookmarks mit Pocket verwaltet.

Mit Obsidian habe ich nun das kostenlose Omnivore als wirklich hervorragende Lösung gefunden. Omnivore erfasst nicht nur die URL der Seite, sondern speichert auch den kompletten Inhalt. Damit hat man auch Inhalte von Seiten, die nicht mehr erreichbar sind, gesichert. Zudem unterstützt es PDFs samt Volltextsuche. Omnivore ist gleichzeitig ein Reader für die gespeicherten Inhalte und noch mehr. Inhalte aus Pocket können übrigens über die standardmäßig enthaltene Integration zu Omnivore importiert werden.

Omnivore Web Client

Omnivore kann Newsletter empfangen und RSS-Feeds abonnieren. Mit dem Omnivore-Plugin können Inhalte aus Omnivore automatisch in Obsidian importiert werden. Sobald ein Inhalt in Omnivore das Tag „keep“ hat, wird es bei mir in Omnivore importiert. Ich habe aber gleich mehrere Tags wie „keep-1w“, „keep-6m“ etc. eingeführt. Hat ein Inhalt das Tag „keep“ wird es für immer aufgehoben und automatisch in Obsidian importiert. Hat es hingegen das Tag keep-6m heißt das für mich, dass ich es nach 6 Monaten ansehe und ggf. löschen kann.

Die Omnivore-Extension für den Browser erfasst die Seite und man auch gleich passende Tags vergeben und Notizen hinzufügen:

Omnivore Extension in Chrome

Dabei hilft das mächtigste Werkzeug in Obsidian: Dataview. Mit Dataview kann man Abfragen in Obsidian bauen, bei denen es praktisch keine Grenzen gibt.

In meinem täglichen Journal zeigt mir Dataview an, welche Seiten ich an diesem Tag in Obsidian angelegt habe, welche Omnivore-Bookmarks importiert wurden oder welche Seiten ich geändert habe. Plötzlich macht auch die Verwaltung von To-dos in einer Notizverwaltung Sinn.

Dataviews sammeln To-dos aus allen Seiten in Obsidian an einem Ort – gruppiert nach Thema und Wichtigkeit. So habe ich z. B. eine Seite „Server“ in Obsidian, auf der ich alles eintrage, was ich an meinem Homeserver gemacht habe und machen muss. Gleiches für mein CNC-Projekt, Home Assistant oder meine Aufgaben im Job.

Mit Frontmatter kann man Metadaten in Notizen hinterlegen. Das ist besonders bei Vorlagen interessant. So habe ich in meinem Tagebuch-Template die Metadaten Wetter, Stimmung, gelaufene Kilometer etc. als Metadaten im Kopf der Datei. Diese Metadaten lassen sich dann wieder durchsuchen, automatisch verlinken etc. etc.

Frontmatter Properties in meiner Tagebuch-Vorlage

Paperless NGX gibt mir Links zu den Inhalten, die ich ganz einfach in Obsidian einfügen kann. Durch den, in Paperless eingebauten Browser, kann ich die Inhalte aus Paperless direkt aufrufen.

Kosten und Synchronisierung

Grundsätzlich ist Obsidian für den persönlichen Einsatz kostenlos. Wenn man es für kommerzielle Zwecke, in einer Firma mit mehr als 2 Mitarbeiter hat nutzt, kostet die Lizenz $50 pro Jahr und User. Freiberufler, Soloselbständige etc. können es daher kostenlos nutzen.

Synchronisieren kann man Obsidian auf mehreren Wegen. Da es sich bei den Inhalten von Obsidian um Markdown-Textdateien in Ordnern handelt und kein proprietäres Format oder Datenbank zum Einsatz kommt, können diese auch ganz einfach kopiert werden.

Obsidian selbst bietet einen Sync-Service an, der über alle Plattformen sehr zuverlässig und einfach funktioniert, aber $8 pro Monat und 10 GB Speicherplatz (total) kostet. Damit unterstützt man aber auch die Entwicklung von Obsidian. Die 10 GB hören sich erst einmal wenig an. Wenn man, wie ich, jedoch keine PDFs und nur wenige Screenshots etc. darin speichert, genügt dieser Speicherplatz wohl fast ewig. Zudem gibt es immer wieder Aktionen, bei denen man 50 GB bekommt.

Sync-Einstellungen in der Android-App

Kostenlos geht im Apple-Universum per iCloud. Nutzt man, wie ich, Obsidian auf Windows, macOS, iOS und Android, kann man es über das Plugin Remotely Save auf allen Geräten synchronisieren, was auf Dropbox, OneDrive, S3 oder WebDAV zurückgreift. Bei mir hat das relativ gut funktioniert, wenngleich auch nicht immer fehlerfrei.

Nutzt man kein iOS, geht es mit Syncthing hervorragend, was für mich ohnehin unverzichtbar ist. Wie zuvor erwähnt: Man muss lediglich Ordner synchronisieren. Man kann auch GitHub zur Synchronisierung nutzen.

Ich nutze den „offiziellen“ Weg von Obsidian. Der Nutzen von Obsidian ist für mich so hoch, dass mir die paar Euro dafür vollkommen egal sind. Omnivore ist kostenlos. Paperless NGX ebenfalls.

Persönliches Wissensmanagement mit Suchtpotenzial

Nicht selten habe ich in den vergangenen Wochen „Molloch!“ gerufen, wenn ich mich mit Obsidian beschäftigt habe – und das habe ich seit dem Jahreswechsel fast jeden Tag. „Molloch“ meine ich dabei sehr positiv, denn die Möglichkeiten, die Obsidian bietet, sind einfach unglaublich.

Mit Excalidraw hat man ein Zeichentool für freies Zeichnen, Mindmaps, Flussdiagramme, Mockups für Apps und Webseiten und mehr direkt in Obsidian zur Verfügung. ChatGPT kann über die API integriert werden und ist damit günstiger als das ChatGPT-Abo, da nach tatsächlicher Nutzung abgerechnet wir, was in meinem Fall nur wenige Euro im Monat sind.

DeepL und die Rechtschreibprüfung Language-Tool können ebenfalls per API in Obsidian genutzt werden. Für Sprachnotizen oder Musik-Ideen gibt es einen Audiorecorder. Mit Whisper von OpenAI, können die Audionotizen automatisch transkribiert und als Text in Obsidian übernommen werden ($0,006 pro Minute). Kostenlos geht es mit Swiftink.io.

Meine E-Books hatte ich ohnehin schon auf meinen Homeserver in Calibre-Web und natürlich gibt es dafür auch ein Obsidian-Plugin, mit dem man Anmerkungen und Hervorhebungen zu Obsidian synchronisieren kann. Ja und dann gibt es natürlich auch ein Obsidian-Plugin, um Inhalte daraus auf den Kindle zu bringen oder Anmerkungen von dort in Obsidian. Zitate und Fußnoten können mit Zotero verwaltet und angebunden werden.

Mit Canvas habe ich gerade erst angefangen. Es ist eine sehr hilfreiche Funktion, Ideen und Inhalte zu sammeln und zu visualisieren, um in Anschluss ein oder mehrere Obsidian Dokumente zu generieren.

Ich kann die Funktionen von Obsidian beim besten Willen hier nur ansatzweise vorstellen, so umfangreich sind die Möglichkeiten und so flexibel ist das System. Diesen Beitrag habe ich in Obsidian geschrieben, weil ich darin auch gleich alle Notizen dazu hatte. Durch die Tab-Funktion von Obsidian lassen sich mehrere Seiten nebeneinander darstellen – samt Browser. Ist man mit dem Entwurf fertig, kann man den Inhalt mit dem WordPress-Plugin direkt ans WordPress-Blog schicken und dort fertigstellen.

Meine Lösung aus Obsidian, Omnivore und Paperless NGX, mag nicht für jeden Anwender richtig sein. Viele suchen noch immer nach einer Eierlegendenwollmilchsau, welche es aus meiner Sicht nicht gibt. Zumindest dann nicht, wenn man auch ein vernünftiges Dokumentenmanagementsystem (DMS) mit OCR und Volltextsuche möchte. Für mich ist diese Kombination aber perfekt und unterstützt mich seit fast 8 Wochen täglich. Egal, ob Blogbeiträge, Musikideen, Einkaufslisten, ToDos, Tagebuch, Anleitungen usw. Alles findet mittlerweile in Obsidian und den angedockten Anwendungen statt. Obsidian spart mir sehr viel Zeit und es geht kein Gedanke mehr verloren. Im Auto diktiere ich meine Gedanken als Audiodatei und lasse sie später transkribieren.

Ein großer Vorteil ist auch, dass die Inhalte von Obsidian reine Textdokumente und auch mit einem einfachen Texteditor lesbar sind. So können sie auch auf dem Mac von Spotlight indexiert und gefunden werden.

Paperless NGX speichert seine Daten in einer JSON-Datei. Alle Dokumente liegen nicht in einem Datenbank-BLOB, sondern einfach im Dateisystem (mit Hash als Prüfsumme). Von beiden lassen sich sehr einfach Backups erstellen.

Ich werde aber auf alle Funktionen, die ich im Einsatz habe, eingehen und regelmäßig Beiträge zu Obsidian veröffentlichen.

Mit Obsidian hat man keine einfache Notizen-App. Man betritt ein komplettes Universum aus verbundenen Funktionen und Anwendungen. Man kann es so einfach oder komplex konfigurieren, wie man es benötigt oder möchte.

Persönliches Wissensmanagement. Zweites Gehirn. Zettelkasten. Nennt es, wie ihr wollt. Es ist einfach unglaublich nützlich.

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4 Kommentare

  1. Ja paperless reizt mich schon lange. Allerdings unterstützt meine synology Variante keine docker container.
    Jedenfalls versuche ich mich mal wieder an obsidian. Hatte mal einen Ansatz gewagt, aber mangels Zugänglichkeit dann bei Notion hängen geblieben.

    • Paperless könnte man auch unter Windows oder macOS installieren. Es muss ja nicht zwingend zentral und 24/7 erreichbar sein.
      Bei Obsidian habe ich auch mehrere Anläufe unternommen. Zwischendrin war auch Logseq dabei. Jetzt kann ich sagen: Es hat sich gelohnt!

    • Bei mir läuft ein Intel Proliant Microserver Gen8 mit Xeon E3 1230 V3, 16 GB RAM und Proxmox.
      Auf Proxmox laufen Home Assistant und eine Windows 10 Installation in einer VM.

      In einer weiteren VM läuft OpenMediaVault mit Docker und darauf Paperless NGX als Container.
      Außerdem gibt es noch ein paar andere Anwendungen als LXC.

      Paperless hat aber nur wenig Anforderungen, sodass das auch auf einer NAS oder einen Raspi 3 oder 4 problemlos laufen sollte.

      Funktioniert seit 2017 (erst auf ESXi) und dürfte auch noch längere Zeit ausreichen.

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