Modular-Systeme sind seit einiger Zeit ein ganz groรes Ding in der Synthesizer-Szene. Dabei gibt es diese beeindruckenden Klangsysteme schon รผber 60 Jahre. Wรคhrend damals ein modularer Synthesizer die Grรถรe einer ordentlichen Wohnzimmerschrankwand einnehmen konnte, etablierte der deutsche Hersteller Doepfer das Eurorack-System. Damit waren Modular-Synthesizer auch fรผr Normalsterbliche erreichbar. Viele Jahre war das aber ein Thema fรผr ein paar Freaks. Niemand sonst wollte statt mit MIDI wieder mit Kontrollspannungen (CV: Control Voltage), Gates und Triggern arbeiten und Kabel stecken.

Seit einigen Jahren hat es der Euro-Rack-Standard in die breite Masse geschafft und es gibt unzรคhlige Module dafรผr. Auch die DIY-Szene fรผr Eurorack-Module wird immer grรถรer und viele bauen sich ihre eigenen Module. Der Grund fรผr die Begeisterung ist neben der haptischen Seite – man kann die Regler, Schalter und Kabel einfach anfassen und erhรคlt eine direkte Reaktion – auch der Wunsch nach einem „Signature-Sound“. Ein Modularsystem kann sehr individuell aufgebaut werden und klingt damit auch sehr individuell. Ein Modular-Patch ist im Prinzip immer auch eine Momentaufnahme, denn viele Konfigurationen lassen sich nur schwer wieder ganz identisch nachbauen. Auch dass man ganz ohne Computer damit arbeiten kann, รผbt auf viele eine besondere Faszination aus.

Ein Modularsystem kann sich schon fast organisch verhalten und ist oft unberechenbar. Lange Sequenzen, die sich stรคndig verรคndern und nie wiederholen sowie ausschweifende Soundscapes sind die Spezialitรคt solcher Systeme. Viele Modular-Systeme haben noch nicht einmal ein Keyboard angeschlossen und arbeiten nur mit Sequenzer- und Arpeggiator-Modulen. Daher sind solche Systeme auch รผberwiegend im Techno-Bereich anzufinden. Das Modular-System kann stundenlang vor sich hin blubbern und wenige Verรคnderungen an einigen Reglern und Knรถpfen, kรถnnen vรถllig neue Klรคnge und Sequenzen erzeugen.
Meine Meinung zu Musik aus Modular-Systemen
Fairerweise muss ich sagen, dass ich mit vielen „Performances“ aus Modular-Systemen, die man auf Youtube findet, so gar nichts anfangen kann. Fรผr mich ist das meiste davon weder musikalisch noch rhythmisch interessant und sogar oft extrem nervig. Das liegt aber auch daran, dass mir Techno, Drones etc. so fern sind, wie nur irgendwas. Die Ambient-Geschichten finde ich oft ganz nett.
Eine Aussage zu Modular-Systemen ist, dass man nicht selbst vorgibt wie der Song zu sein hat, sondern das System einen dort hinfรผhrt. Das steht genau entgegengesetzt zu meiner Philosophie des Musikmachens: Am Beginn ist die Idee, das Riff, die Melodie, der Rhythmus. Daraus wird eine Songidee. Ein Modularsystem kann eine tolle Ergรคnzung dazu sein und interessante Farben und Ideen einbringen. Es kann auch inspirieren. Es einfach vor sich hinblubbern, piepen und kreischen zu lassen, finde ich hingegen uninteressant und wenig musikalisch.
Im Club-Kontext scheint mir dieses Thema einleuchtend zu sein, wenn eine trance-artige Stimmung mit repetitiven Klรคngen erzeugt werden soll. Ich kann mir jedoch beim besten Willen nicht vorstellen, dass man so etwas tagsรผber zur Unterhaltung hรถrt. Klรคrt mich auf, wenn ich da falsch liege. Damit Klangexperimente zu machen, um die herum dann ein „echter“ Song entsteht, finde ich hingegen hoch spannend.
Modular-Systeme kosten richtig viel Geld
Die ganze Geschichte hat aber auch eine Kehrseite: Fรผr viele wird das Modular-System zur regelrechten Sucht und kann Unsummen an Geld verschlingen. In den entsprechenden Foren und bei Reddit gibt es nicht wenige Stories รผber Modular-Fans, die sich mehrere Module pro Monat kaufen und sich damit verschuldet haben. Als Gitarrist kann man das mit der Begeisterung fรผr Bodentreter vergleichen, die bei vielen auch zum Sammelobjekt und teilweise Sammelsucht geworden sind.

Tatsรคchlich ist ein Modular-System keine billige Angelegenheit. Es beginnt mit dem Gehรคuse im Euro-Rack-Format, das eigentlich nur eine gewisse Anzahl von Modulen aufnehmen und diese mit Strom versorgen kann. Fรผr einen minimalen Synthesizer benรถtigt man einen Tonerzeuger oder Oszillator (VCO – Voltage Controlled Oszillator), einen Filter (VCF – Voltage Controlled Filter) und einen Hรผllkurven-Generator samt Verstรคrker (VCA – Voltage Controlled Amplifier). Hier hat man also 3 Module plus das Gehรคuse und selbst bei gรผnstigen Modulen ist man jetzt schon gut 400 Euro los. Hinzu kommt noch ein Keyboard, das CV-Spannung ausgeben kann oder ein Sequenzer-Modul. Beides noch einmal mindestens 100 Euro. Dafรผr bekommt man schon recht ordentliche Synthesizer mit Keyboard, der mehr kann, als dieses Minimal-Modular-System.

Dieses Minimal-Setup in Voltage Modular klingt dann z. B. so, wenn man ein bisschen am Filter dreht, Hรผllkurve und Sequenz verรคndert:
Mit ein paar Modulen mehr klingt das dann schon so:

Auf der Seite Modular Grid, kann man sein Modular-System planen und viele stellen dort ihre Systeme vor, die oft mehrere 10.000 โฌ gekostet haben. Es geht aber auch gรผnstiger.
Cherry Audio Voltage Modular
Natรผrlich gibt es auch virtuelle Modular-Systeme, die meiner Ansicht nach nicht weniger faszinierend sind und dabei noch einige handfeste Vorteile besitzen, so kann man z. B. Konfigurationen einfach abspeichern und spรคter wieder aufrufen. Echte Modular-Fans werden das zwar anders sehen, wer aber die Mรถglichkeiten dieser Gerรคtegattung kostengรผnstig erkunden mรถchte, sollte sich den Cherry Audio Voltage Modular einmal genauer ansehen.

Cherry Audio ist mit dem Voltage Modular nicht der einzige Anbieter solcher Software-Modular-Systeme. Neben Softube Modular, ist das VCV Rack die wohl bekannteste Lรถsung in diesem Bereich. Cherry Audio hat bei seinem Voltage Modular aber einige sehr interessante Features, die das System sehr interessant machen. Es werden drei Paket angeboten:
Voltage Modular Nucleus | 20+ Module, Voltage Modular Software, 176 Presets | kostenlos (!) | Thomann Preis |
Voltage Modular Ignite | 40+ Module, Voltage Modular Software, 296 Presets | $19 | 19,00 Euro |
Voltage Modular Core + Electro Drums | 90+ Module, Voltage Modular Software, Misfit Audio Electro Drums (15 modules), 551 Presets, 94 Electro Drums Presets | $69 | 69,00 Euro |
Ihr kรถnnt also kostenlos mit der Nucleus-Version starten. Voltage Modular kann sowohl im Stand-Alone-Modus arbeiten, als auch als VST, AU oder AAX Plugin in der DAW eurer Wahl. Sehr gut gelรถst ist die Installation weiterer Module. Es gibt viele zusรคtzliche Module aus allen Kategorien von Cherry Audio, aber auch von externen Entwicklern. Da Cherry Audio eine eigene Entwicklungsumgebung fรผr Voltage Modular anbietet, den Voltage Modular Designer, und Entwicklern groรzรผgige 70 % der Erlรถse der daraus entstandenen Module vergรผtet, gibt es jede Menge Futter fรผr den Voltage Modular. Es ist unmรถglich, hier auf alle Module einzugehen, aber es ist alles vorhanden, was man bei einem Modular-System erwartet. Als Fan von PSP Audioware Plugins freue ich mich besonders, dass es hier auch PSP-Effekte und sogar Synthesizer-Module gibt.

Ebenfalls sehr schรถn, sind die Sampler-Module, die durch Zukรคufe auch erweitert werden kรถnnen. Die meisten der kostenpflichtigen Module bewegen sich zwischen 5 und 10 Dollar. So kann der Sampler fรผr 10 Dollar stark erweitert werden kann. Es gibt aber auch ganze Bundles von Modulen, die dann auch รผber 100 Dollar kosten kรถnnen. Trotzdem ist das noch immer gรผnstiger als „echte“ Modular-Module.

Modular-System im Rechner mit Polyphonie
Voltage Modular bietet sogar polyphone Module, mit denen man ohne Tricks entsprechende Klรคnge erzeugen kann. Damit ist VM physischen Modular-Systemen weit voraus, denn hier ist es ein enormer Aufwand, polyphone Klรคnge zu Erzeugen, da man fรผr jede Stimmen einen Oszillator, CV, Gate usw. benรถtigt.
Auรerdem kann man viele Module intern nicht nur รผber CV verbinden, sondern auch per MIDI. Wenn man mรถchte, kann man auch reine Effekt-Racks bauen und diese als Inserts in der DAW nutzen.
Cherry Audio bietet auch Module an, die auch als einzelne VST-Plugins angeboten werden, z. B. den Juno, CA2600 (Arp 2600) und den ganz neuen Polymode. Die Cherry Audio Module lassen sich als Demo-Versionen ausgiebig testen, bevor man den Kauf-Button klickt.
Was es noch nicht gibt, sind Nachbildungen aus der „echten“ Modular-Welt, wie z. B. die Open-Source Module von Mutable Instruments, welche sowohl bei Softube Modular und auch VCV zur Verfรผgung stehen. Was nicht ist, kann aber ja noch werden.

Der Modul-Store kann direkt in der Software aufgerufen werden. Kostenlose oder erworbene Module werden dabei automatisch installiert und kรถnnen sofort eingesetzt werden. Die Module sind meist sehr realistisch gestaltet und erinnern ein bisschen an Reason. Das mag nicht jedermanns Sache sein. Ich finde aber, dass man die Module dadurch sehr schnell voneinander unterscheiden kann und auรerdem sieht es mehr nach einem physischen Modular-System aus. Zudem lรคsst sich die Ansicht frei skalieren, was gerade bei hochauflรถsenden Displays sehr angenehm ist.
Module werden einfach ins virtuelle Rack gezogen und kรถnnen bei Bedarf auch ganz einfach verschoben und neu sortiert werden. Die virtuellen Kabel werden per Drag-and-drop gezogen. Haben Module mehrere Aus- oder Eingรคnge, geht dabei ein kleines Menรผ auf, das wie eine Blรผte aussieht. Hier lassen sich dann mehrere Kabel anschlieรen.
Module, die sich in der gleichen Reihe im Rack befinden, lassen sich als „Cabinets“ abspeichern und spรคter wiederverwenden. Mit dem Performance Bar, kann man bestimmte Parameter auf eigene Regler legen, die sich auch in der Spannung begrenzen lassen. Alle Parameter lassen sich schnell und einfach per MIDI-Learn auf entsprechende Controller legen.
Umfangreiche MIDI-Integration
รberhaupt ist die MIDI-Integration hervorragend gelรถst. Aus der DAW heraus kรถnnen die Module im Voltage Modular auf unterschiedlichen MIDI-Kanรคlen angesprochen werden. Es gibt verschiedene Module, welche die Konvertierung zwischen CV und MIDI-CC (und umgekehrt) ermรถglichen und der MIDI-Learn-Modus kann auch Tastaturbefehle umsetzen.

Damit auch bei groรen Konfigurationen die รbersicht gewahrt bleibt, kann die Deckkraft der virtuellen Kabel stufenlos eingestellt werden. Ein eigener Button erlaubt das komplette Ein- und Ausblenden der Kabel mit einem Klick.
In der Stand-Alone-Version der Software kann man den Audioausgang und damit die Performance direkt aufnehmen.
Fazit
Die Mรถglichkeiten, die sich mit dem Cherry Audio Voltage Modular auftun, sind unendlich. Schon die vielen enthaltenen Module fรผhren dazu, dass man die Zeit komplett vergisst und Module รผber Module miteinander kombiniert. Im Store findet man dann รผber 750 weitere Module – von kostenlos bis kommerziell. Klanglich ist Voltage Modular sehr ordentlich, kommt aber nicht an die Authentizitรคt von Instrumenten wie u-he Diva heran. Dafรผr ist man vollkommen frei in der Klanggestaltung und hat jede Menge Spaร damit. Es spricht auch nichts dagegen, das virtuelle Modular-System mit Hardware zu verbinden …
Mehr Infos: Cherry Audio
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