21 Millionen Euro Strafe gegen Thomann, Music Store, Fender, Yamaha und Roland

Millionen-Kartellstrafe gegen Thomann & Co. – wer sind die Leidtragenden?

Gegen die großen Musikversender Thomann, Music Store sowie gegen Fender, Roland und Yamaha wurden Strafen wegen Preisabsprachen verhängt. Die Leidtragenden werden diesmal aber nicht die Kunden sein. Ein Kommentar von mir.
Bitte beachte: Dieser Beitrag ist mehr als 3 Jahre alt. Manche Links, Preise, Produkte und Aussagen sind vielleicht nicht mehr aktuell!

21 Millionen Euro Strafen verhängte das Bundeskartellamt gegen die beteiligten Firmen wegen Preisabsprachen „zum Nachteil der Verbraucher“. Diese hätten jahrelang Preise abgesprochen.

Die bekannten deutschen Musikseiten schweigen dazu auffällig. Kunststück: Ein Großteil der Online-Magazine, wie Amazona, Bonedo oder Gearnews gehören zum Thomann Universe und der Rest profitiert häufig durch Partnerschaften und Werbe-Deals. Das ist auch nicht verwerflich, und Thomanns Move mit den eigenen Online-Magazinen zeigt, dass man dort einfach weiter denkt.

Preisabsprachen im Musikhandel sind ein alter Hut

Tatsächlich ist die Sache mit der Preisabsprache im Musikalienhandel schon sehr alt. Ich selbst habe ab 1994 einige Zeit in einem Musikgeschäft gearbeitet, das damals zu den größten in Bayern und Ostdeutschland gehörte, bevor die Firma Thomann durch den Schwerpunkt auf den Versandhandel groß wurde. Auch pflegten wir damals gute Kontakte zueinander. Beim Musikhaus Thomann war ich als 14-Jähriger zum ersten Mal und seinerzeit ging man praktisch noch durchs Wohnzimmer der Familie Thomann in die Verkaufsräume, die sich allesamt im Wohnhaus befanden.

Hersteller wie Gibson oder Fender machten es den Musikgeschäften in den Neunzigern schon nicht einfach ihre Produkte zu führen. Mindestumsätze und andere Vorgaben führten dazu, dass nicht jeder Händler alle Produkte oder die Marke als solche führen durfte. So sprach man sich mit anderen Händlern ab, um entsprechende Produkte quer liefern zu können, wenn ein Kunde einen Artikel anfragt, den man selbst nicht bekommen hätte. Und natürlich durfte man viele Marken nicht unter einem Mindestpreis anbieten. Bekamen die Hersteller davon Wind, konnte es sein, dass man gar nicht mehr beliefert wurde.

Ein deutscher Hersteller für Beschallungsanlagen lud z. B. jedes Jahr nach Niederbayern auf einen Berg ein, um dort mit allen Händlern das „Bärwurzfest“ zu feiern. Eine feuchtfröhliche Angelegenheit, bei der es natürlich auch darum ging, den Zusammenhalt der Händler untereinander zu stärken. Und ein britischer Gitarrenverstärker-Hersteller belohnte gute Händler mit einem Besuch am Standort in Großbritannien. All-inclusive. Das war Mitte der Neunzigerjahre.

Der Schutz der kleinen Händler

Durch den Boom im Online-Handel wenige Jahre später wurde es für viele kleine Musikgeschäfte sehr schwierig, gegen die Übermacht von Thomann, Music Store und andere anzukommen. Damalige Top-Player wie Musik Produktiv in Ibbenbüren, auf deren neuen Katalog ich jedes Jahr hinfieberte, konnten der neuen Marktmacht nicht standhalten und waren nur noch einer unter vielen. Auch das Geschäft, für das ich in der Gitarrenabteilung tätig war, ist nur noch der Schatten von damals.

Gerade diese Preisabsprachen führten aber dazu, dass diese vielen kleinen und charmanten Musikläden weiterhin existieren konnten. Ein befreundeter Musikhändler, bei dem ich 1987 zum ersten Mal mit meinem Vater war (er war Schlagzeuger) sagte vor wenigen Jahren zu mir: „Ich kann dir den gleichen Preis wie der Thomann machen! An die Preise der Firma XXX müssen sich nämlich alle halten, sonst bekommen sie das Zeug nicht mehr.“

Preisnachlässe gingen dadurch nur durch die Hintertür, indem die großen Player Bundles (meist mit Eigenmarken) anboten, wie z. B. den Eigenmarken-Amp zum Dumping-Preis zur Fender Gitarre.

Damit wurden durch die Preisvorgaben der Hersteller die kleinen Läden geschützt. Es mag sein, dass damit auch Preise hoch gehalten wurden. Allerdings ist Musik-Equipment heute ohnehin so billig, dass ich nicht glaube, dass diese Absprachen wirklich zum Nachteil der Kunden waren. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Fender, Roland und Yamaha die einzigen Hersteller sind, die solche Preisvorgaben hatten. Mir fielen da auf Anhieb noch mindestens 5 große Namen ein – wenn ich an meine eigenen Erfahrungen und die Gespräche mit Inhabern von Musikhäusern denke.

Setzt man in diesem Bereich zukünftig auf freie Preisgestaltung, wird es bald viele kleine Läden nicht mehr geben, denn den Möglichkeiten eines Thomann oder Music Store werden diese wenig entgegensetzen können. Letztendlich entscheidet bei vielen doch der Preis und man ist nur noch Showroom, in dem man die Gitarre mal anfassen kann, um sie dann online günstiger zu bestellen.

Aber auch für die großen Player könnte es bald noch enger werden, nämlich dann, wenn Amazon in Europa noch mehr Musikequipment ins Programm nimmt – so wie es in den USA bereits der Fall ist.

Noch ein kleiner Tipp ans Bundeskartellamt: Schaut euch mal die Kindersitz-Branche oder Sanitär- und Bad-Ausstatter an …

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3 Kommentare

  1. Nicht nur bei den Musikinstrumenten sind einige Händler sehr kreativ wenn es darum geht dem Kunden die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Bei sanitär, Heizung und Fenster und Tieren fällt auf wie teuer man das beim fachhaendler, Installateur oder fenstrrbauer bezahlt. Bezugspreis vom hersteller verdoppelt, plus hohe kosten für den Einbau.

  2. Guten Tag, danke für den aufschlussreichen Beitrag. Bin beruflich in der Sanitär und Bad-Ausstattungsbranche tätig, da wäre es schön, wenn es Preisabsprachen zum Wohl aller beteiligten gäbe.
    Doch wird gerade dort ein ruinöser Preiswettbewerb geführt. Wenn sich da Preise verschiedener Anbieter ähneln, dann nur, weil diese am unteren Ende jeglicher Wirtschaftlichkeit liegen…..

    • Wir haben 2017 bei unserem Hausbau die Erfahrung gemacht, dass alle Installateure über die einschlägigen Badaussteller gegangen sind und alle die gleichen Preise anbieten mussten (GC Gruppe).

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