Photolemur angetestet – was taugt die vollautomatische Bildverbesserung?

Kürzlich hatte ich schon auf Photolemur hingewiesen. Diese Software soll mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Fotos automatisch verbessern. Nun habe ich vor der offiziellen Veröffentlichung der Windows-Variante von Photolemur eine Testversion erhalten und konnte ein paar Tests und Vergleiche anstellen. Vielleicht hätte ich es besser lassen sollen ...
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Zu Beginn erstaunt der doch recht große Download von Photolemur. Für die Windows-Version macht sich ein 153 MB großer Installer auf der Festplatte breit und das erzeugt große Erwartungen an das, was man von diesem Tool erwarten kann. Die Software selbst besteht aus einem unspektakulären Fenster, auf das man entweder die zu veredelnden Fotos zieht oder von dort aus öffnet. Dabei nimmt Photolemur sowohl JPGs als auch RAW-Formate. Die Ausgabe erfolgt dann entweder als JPG mit einstellbarer Qualität, TIFF, PSD oder PDF Datei.

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Bedienelemente oder Einstellmöglichkeiten? Fehlanzeige! Photolemur macht seine Arbeit automatisch und die künstliche Intelligenz sowie die Entscheidung des Bedieners, ob ein Foto gefällt oder nicht, entscheiden laut Hersteller über das Ergebnis. Verwirft man einen Vorschlag von Photolemur, soll er daraus lernen und bei ähnlichen Fotos andere Anpassungen vorschlagen. So weit, so gut.

Photolemur im Test

Ich habe Photolemur mit einer größeren Anzahl meiner Fotos konfrontiert. Darunter Landschaften, Portraits, aber auch Produktbilder. Die meisten Fotos lagen als Nikon- (NEF-) oder DNG-Raws vor.

Nachdem man eine Datei auf das Photolemur Programmfenster gezogen hat, beginnt eine nett anzusehende Animation, die an Sternbilder oder auch Neuronen erinnert. Allerdings konnte ich hier keine Systematik erkennen (etwa das Erkennen von Gesichern, Augen, Himmel etc.) und es drängt sich der Verdacht auf, dass das nur nettes Eyecandy ist, damit die Wartezeit kurzweiliger wird – denn die ist lang.

Photolemur nimmt sich bis zur Vorschau der Verbesserungen fast eine Minute Zeit – pro Bild! Mit einem vertikalen Schieber kann man dann zwischen Ausgangsbild und der Verbesserung durch Photolemur vergleichen. Die Interpretation der unbearbeiteten RAW-Datei durch Photolemur ist sehr flach, sodass das verbesserte Bild ohnehin schon einmal deutlich besser aussieht.

Wie sieht es aber mit den Verbesserungen durch Photolemur aus? Auffällig ist zunächst, dass die Fotos allesamt extrem geschärft wurden – und mit extrem meine ich extrem! Die Nebenwirkungen sind allerlei Artefakte, Halos etc. Die Stärke lässt sich auch nicht einstellen und daher sieht das extrem unnatürlich aus. Bei manchen Motiven mit feinen Strukturen wird das Bild dadurch unbrauchbar (siehe Foto vom X-Rite Colorchecker Passport Gehäuse).

Gruselig!

Der Hersteller beschreibt auf seiner Internetseite, dass Photolemur die Belichtung verbessert. Tatsächlich werden Schatten sehr stark aufgehellt. Das Ergebnis lässt sich sehr gut mit dem Tiefen-Regler in Lightroom vergleichen, wird aber noch extremer praktiziert.

Ein blauer Himmel wird kräftiger und die Farben satter. Bei Portraits wird der Kontrast erhöht, was man häufig aber gar nicht möchte. Ich konnte keinerlei Verbesserungen der Hautstruktur erkennen. Im Gegenteil! Durch das übertriebene Schärfen treten Poren etc. viel stärker hervor. Auch andere Bildelemente, die in ihrer Farbigkeit Hauttönen entsprechen, werden gleich behandelt.

Meinen ersten Test habe ich nach etwa 25 Bildern abgebrochen, weil ich nicht so ganz glauben konnte, was ich da sah. Also zwei Tage später noch einmal einige Fotos und Testbilder durch Photolemur gejagt. Gleiches Ergebnis und eine ernüchternde Erkenntnis: Viel Wind um nichts!

Die Testbilder zeigen, welch extreme Halos Photolemur erzeugt. Schaut euch mal die schwarzen und weißen Linien oben im Bild an. Diese sehen aus, als hätte man einen Schlagschatten (weiße Linie) oder einen Leuchteffekt (schwarze Linie) hinterlegt.

Halos um Linien

An dieser Stelle drängt sich mir eine Frage auf:

Wo ist die künstliche Intelligenz?

… wenn die Schärfung noch nicht einmal vor klar erkennbaren Hautpartien halt macht oder zumindest sanfter zu Werk geht? Warum werden Augenfarben nicht besonders behandelt? Die Animation bei der Entwicklung in Photolemur hat absolut nichts Erkennbares mit dem Bildinhalt zu tun. Eine Bildanalyse, wie sie Photolemur in der Werbung zeigt, ist auf jeden Fall nicht vorhanden. Zur Sicherheit habe ich auch die Mac-Version von Photolemur getestet, da die Windows-Variante ja noch ganz neu ist. Aber auch hier zeigt sich das gleiche Verhalten.

In der Werbung für Photolemur sieht die Bildanalyse so aus

Auf der anderen Seite lastet die Software den Rechner so heftig aus, sodass sogar der Cursor zu ruckeln beginnt und die CPU am Anschlag ist. Auch der Export der Fotos benötigt noch einmal die gleiche Zeit wie die Voransicht, und wir sprechen hier von 45+ Sekunden pro Bild. Es kann aber auch schon mal 2 Minuten dauern bis man eine Vorschau erhält.

Vergleich Original-Photolemur-schnelle Lightroom Korrektur

Jedes von mir getestete Foto hatte praktisch die gleiche Bearbeitung erfahren. Ich kann keine selektive Bearbeitung, geschweige denn die Einflussnahme einer künstlichen Intelligenz feststellen. Die Animation ist absoluter Firlefanz und vielleicht sorgt ja nur diese für die hohe Rechnerauslastung …

Die Software rückt keine schiefen Horizonte gerade. Sie erkennt noch nicht einmal gedrehte Bilder. Es werden keine chromatischen Aberrationen korrigiert und Bildrauschen wird gar nicht angefasst, sondern durch die permanent hohe Schärfung noch verstärkt.

30 Sekunden Lightroom gegen 1 Minute Photolemur – diesmal auf dem Mac

Den Effekt von Photolemur kann man innerhalb von Sekunden mit Lightroom realisieren, allerdings geht dessen Schärferegler nicht so weit 🙂 Ich habe euch mal zwei Presets erstellt, die 90% der Wirkung von Photolemur erzeugen. Diese könnt ihr HIER herunterladen. Kurz erklärt kann man sagen: Tiefen +100, Dynamik +50, Schärfen auf Rechtsanschlag, Grün-, Orange, und Blautöne verstärkt – und fertig ist Photolemur.

Nehme ich mir die Zeit in Lightroom, die Photolemur zur Berechnung benötigt, bin ich dessen Ergebnis bereits meilenweit voraus.

Fazit

Wenn es sich um eine 15 Euro Software handeln würde, könnte man sagen, dass es vielleicht für blutige Laien ein One-Click-Wonder sein könnte. Die vorherige Version von Photolemur gab es für 49$ und realistischere 29$ im Sale. Nun wird Photolemur aber nur noch als Abo-Modell für 5,95$ pro Monat, bzw. 71,88$ pro Jahr angeboten! Das sind die halben Abo-Kosten eines Adobe Creative Cloud Fotografie Abos mit Photoshop und Lightroom!

Angesichts der enttäuschenden Ergebnisse, fehlender Einflussmöglichkeit auf die Schärfung und die sehr langsame Arbeitsweise ist das einfach indiskutabel. „Doing Magic“ kann ich definitiv nicht bestätigen. Ich muss sogar sagen, dass ich mich selten über ein Produkt so geärgert habe, denn von „The World First Automatic Image Enhancer“ ist Photolemur Lichtjahre entfernt. Vielleicht deshalb die Animation mit den „Sternbildern“? Die beworbene „künstliche Intelligenz“ ist wohl reines Marketing. Auf der anderen Seite sagt Intelligenz ja noch nichts über ihre Größe aus.

Mehr Infos: https://photolemur.com

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9 Kommentare

  1. Ich finde es gut und verwende es für die Stapelverarbeitung von Bilder, die ich einfach ein wenig aufhübschen will. Das Programm ist aktuell kostenfrei. In der Bezahlversion hätte ich es mir auch nicht angeschafft. Alternativ habe ich Lightroom, aber nur eine Lizenz. Besondere Bilder für die Wand oder Freunde bearbeite ich weiterhin mit Lightroom.

  2. Ich habe das Programm LEIDER gekauft. Von den Bildverbesserungsergebnissen war ich leider nicht überzeugt. Das Plug-In in Lightroom zeigt Bildveränderungen an, aber das letztendliche Bild sieht völlig anders (komplett farblich überdreht) aus. Dann ist es noch langsam. Also ich bleibe bei Presets und Handanpassungen. So, und jetzt kommt’s – trotz 30-Tage-Geldzurück-Garantie und fast sofortiger Meldung, dass ich mein Geld zurück haben will, wird NICHTS erstattet! Der Geldeintreibe-Dienstleister verweist an Photolemur und umgekehrt. Fazit : Geld weg, Programm nicht wirklich nutzbar. Ich fühle mich verarscht. KAUFT DAS PRODUKT NICHT!!!!!!!!!!!!!!

  3. Danke für diesen Test. Ich fand es aufgrund der Werbung kurz interessant, aber das klemm ich mir, dann doch lieber händisch. Und wenn ein Bild eh schon ne Minute zur Berechnung braucht, da bin ich in LR oder PS auch nicht langsamer, eher schneller.

    • Zum Glück stehe ich mit meiner Meinung nicht allein da. Spätere Tester (aucht das c’t Magazin) kamen zum gleichen Ergebnis. Das ist rausgeschmissenes Geld.

  4. Sehr gute Zusammenfassung…. und ich hatte schon auf was „praktisches“ gehofft, wobei mich das „Abo“ sowieso abgeschreckt hat.
    In dieser Form für mich gelinde gesagt schon hart an der Grenze zum Betrug.

    @Alph: Wenn ich deren Homepage richtig verstehe, führen die nur den Monatspreis auf und es handelt sich immer um 12 Monatsabos. … von den vergessen dann ausreichend das Kündigen…..

    Spassig ist deren „Pre-Order“-Plan …. aktuell „nur“ 2,99.
    So wie Sie das darstellen müsste das nach 6 Monaten billiger werden (oder ich versteh das falsch). Bin aber sicher, das die dann mehr verlangen würden. :O

  5. Warum gerade so eine nutzlose Software als Monatsabo angeboten wird ist mir schleierhaft. Es wird wohl keiner der User so ein Abo je verlängern. Bei einer Kaufsoftware würde der Hersteller eigentlich mehr Geld pro User verdienen können bei einem Preis von 49 bzw 29$…

  6. Typischer Fall von Schlimmverbesserung. Erinnert etwas an Mac Keeper oder ähnliches. 🙂

Kommentare sind geschlossen.