Don’t fear the reaper! DAW Cockos Reaper 4.0 erschienen

Tja, was soll ich sagen? Es gibt Programme, die man lange Zeit links liegen lässt und wenig beachtet. Ich gebe zu, dass die sehr preiswerte DAW Reaper von Cockos von mir immer etwas belächelt wurde, was nicht zuletzt an der der "Shareware-Optik" lag. Aber schon mit der letzten Version 3.77 nahm ich mir die Zeit für einen tieferen Einblick und heute erschien nun die lange erwartete Version 4 mit ein paar erstaunlichen Wendungen.
Bitte beachte: Dieser Beitrag ist mehr als 3 Jahre alt. Manche Links, Preise, Produkte und Aussagen sind vielleicht nicht mehr aktuell!

So richtig aufmerksam auf die digitale Audio Workstation (DAW) Reaper von Cockos (der Firmeninhaber ist übrigens kein geringerer als der Winamp- und Gnutella-Erfinder Justin Frankel), wurde ich durch viele „Mix-Rescue“ Beiträge im britischen Recording-Magazin „Sound On Sound“. Hier werden die amateurhaften und teilweise missglückten Aufnahmen von Künstlern und Bands repariert und neu gemischt. Sehr häufig trat hier Reaper in Erscheinung, was mein Interesse weckte.

Die neue Optik von Cockos' Reaper 4

Software muss sexy sein!

Für mich war Reaper immer etwas unzugänglich, weil man die Stärken dieser DAW nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennt. Dem ersten Blick gehört leider oft die Optik einer Software (wobei man das wohl auf das ganze Leben ausdehnen kann) und nicht deren inneren Werten.

Hier hatte Reaper für mich immer ein bisschen das „Shareware-Image“. Keine polierten GUI’s und Benutzeroberflächen wie bei Steinbergs Cubase, Cakewalk Sonar, Apples Logic, Presonus StudioLive, Samplitude … you name it …

Allerdings war Reaper optisch für mich immer sehr nahe am Industriestandard Protools und das wohl nicht von ungefähr, hat Reaper doch die meisten Anhänger im angloamerikanischen Raum.

Eine DAW, die sich nach dem Anwender richtet

Was mich an Cockos‘ Reaper begeistert ist die vollkommen freie Anpassbarkeit der Benutzeroberfläche und der Bedienung. Reaper ist skin-fähig, man kann diese DAW also vollkommen nach seinen Wünschen anpassen. Es gibt fertige Themes die nach Protools, Cubase, Logic, Ableton oder nach bekannten Studiokonsolen wie SSL und Neve aussehen.

Die komplett überarbeitete Benutzeroberfläche von Reaper 4

Es lassen sich aber auch alle Menüs, Farben und Tastenkürzel nach den eigenen Vorstellungen anlegen, was den Wechsel von einer anderen Audioworkstation erleichtert. Überhaupt gibt es keine überfrachtete Werkzeugleiste mit einem Icon für jeden Handgriff. In Reaper geht alles mit wenigen Mausklicks und man sollte vor allem die rechte Maustaste bei jeder Funktion ausprobieren.

Ein Dock, in dem Mixer, MIDI-Editor, Media-Manger etc. abgelegt werden können, freie Workspaces, automatisch abgestufte Spurfarben und Automation für absolut jeden Parameter – alles geht.

Route 66 – du sagst wo es hingehen soll

Ein weiterer Pluspunkt und praktisch ein Alleinstellungsmerkmal oder USP (hey, mit dem Unique Selling Point habe ich gerade 10 Punkte beim Bullshit-Bingo gewonnen!) ist das extrem flexible Routing in Reaper.

Eine Routing-Matrix von Reaper

Es gibt nur eine Kanalart, die Audiokanal für Mono- oder Stereosignale, aber auch MIDI-Kanal, Aux-Return, Subgruppe, Videospur oder sonst was sein kann. Es ist auch vollkommen egal welche Signalquelle ich wo hinrouten möchte. Das mag den Einsteiger etwas überfordern, erschließt aber ungeahnte Möglichkeiten bei der Klangbearbeitung.

Plugins und Sound

Ich möchte jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, ob jede DAW gleich klingen würde. Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich nur sagen, dass der Sound einer DAW wohl den geringsten Einfluss auf die Produktion hat. Ein halber Zentimeter unterschied bei der Position eines Mikros vor dem Gitarrenverstärker hat mehr Einfluss auf den Klang als DAW, esotherische Preamps oder ein x-beliebiges Plugin.

Der ReaEQ mit beliebig vielen Filterbändern

Die mitgelieferten REA-Plugins klingen gut, haben viele Einstellungsparameter und umfassen alles, was man für eine Produktion wirklich braucht. Das REA-Gate extrahiert mal schnell aus einer Kickdrum die Transienten und wandelt sie in MIDI-Noten um, mit denen sich die vermurkste Bassdrum gegen Samples ersetzen lässt.

Der ReaEQ hat beliebig viele Bänder, kann auch echte Notch-Einstellungen und klingt besser, als die meisten Onbord-EQs der bekannten DAWs. Die ReaPlugins kann du übrigens kostenlos herunterladen und auch in deiner DAW benutzen.

In Sachen Sound kann ich keinerlei Unterschiede zu anderen DAWs feststellen. Ich habe es mit Interfaces von MOTU, Focusrite und RME probiert. Die Aufnahmen sind (bei gleichem Interface) absolut identisch zu anderen DAWs.

Im Kreise der „großen“ DAWs angekommen

Mit der Version 4 hat Reaper endgültig zu den großen DAWs der Branche aufgeschlossen. Die Benutzeroberfläche ist modern und übersichtlich und vermittelt nun auch einen wertigen Eindruck. Unter der Haube sind die flexiblen Anpassungsmöglichkeiten geblieben.

Die Anzahl der Neuerungen und Verbesserungen ist unglaublich und die Features die bei Cockos mit viel Understatement als „Subheadline-Features“ bezeichnet werden, wären bei manch anderem Hersteller alleine eine „große“ Versionsnummer wert. Wem das nicht genügt, kann die Funktionsvielfalt noch mit den Erweiterungen von SWS ergänzen, oder eigene Effekte und Funktionen schreiben.

Wenn man sich mit Reaper einlässt, entdeckt man nach und nach, dass es für praktisch jedes Problem und jeden Wunsch bereits eine Funktion, ein JS-Plugin oder einen Workaround gibt.

Oft war die MIDI-Funktionalität von Reaper ein Grund zur Kritik. Ich habe allerdings noch keine MIDI-Funktion vermisst. Auch das destruktive Audio-Editing ist kein Grund zu Kritik und lässt sich sogar nahtlos mit externen Audioeditoren, wie der Freeware Wavosaur oder dem preiswerten Acoustica 5 auf das Niveau anderer DAWs hieven – und darüber hinaus.

Acoustica 5 Audio Editor als externer Wave-Editor in Reaper

Ich persönlich möchte mir meine Plugins und Instrumente ohnehin selbst zusammen suchen und habe ganz unterschiedliche Favoriten. Die Beigaben der meisten DAWs nutze ich ohnehin nur selten.

Übrigens hat sich eine Kombination aus Ableton Live und einer eher audiolastigen DAW für mich als ideal erwiesen. Mit Ableton Live lässt es sich konkurrenzlos schnell komponieren und arrangieren und per Rewire oder den Export der gerenderten Spuren als Stems, kann Live auch in andere DAWs eingebunden werden. Für das Mixing und Mastering gehe ich dann auf eine andere DAW – und noch wohl immer öfter zu Reaper 4.

Neues in Cockos Reaper Version 4.0

Mit der 4er Version kommt eine nagelneue Benutzeroberfläche mit noch individueller konfigurierbaren Tracks und Mixer, die auf mich sehr attraktiv wirkt und sich nicht mehr hinter den großen Konkurrenten verstecken muss. Aber auch Surround-Mixing, neues Take-Comping, mehrere Docks und vieles mehr ist in V4 zu finden. Wer es genau wissen möchte, kann sich ja mal den Changelog ansehen … puhhh …

Der Surround-Panner von Reaper 4

Mit der Version 4 wurde der Preis von Reaper etwas angehoben. Wer die Software privat nutzt und nicht mehr als als 20.000$ im Jahr damit verdient, zahlt unglaubliche 60$ (statt bislang 40$). Eine kommerzielle Lizenz, also wenn man z. B. mit einem Tonstudio mehr als 20.000$ pro Jahr verdient, kostet lächerliche 225$. Dafür bekommt man aber sämtliche Updates bis zur Version 5.99 kostenlos !! Wer da noch Raubkopien zieht oder Cracks anwendet, ist wirklich unbelehrbar.

Plugins von Stillwell Audio

Übrigens habe ich auch die Plugins von Stillwell Audio für mich entdeckt. Stillwell ist für viele der mitgelieferten JS-Plugins von Reaper verantwortlich und die Firma macht wirklich beeindruckende Plugins zu mehr als fairen Preisen. Den VSTi Synthesizer Olga, den Bombardier und Rocket Compressor, den Oligarc Filter und den Neve-artigen 1973 Equalizer habe ich sofort ins Herz geschlossen.

Stillwell Bombardier Bus-Kompressor

Reaper 4 – ein echter Verführer

Mit Reaper 4 ist ein echter Verführer entstanden. Wer immer etwas mit seiner DAW unzufrieden war und mit der Update-Politik seines Herstellers nicht immer einverstanden war, findet hier eine echte Alternative, auf die man sich aber einlassen muss.

Belohnt wird man mit unglaublicher Flexibilität, einem kompletten Set an gut klingenden Audioeffekten, totaler Automation, bester Performance und nicht zuletzt mit einem schon lächerlichen Preis.

Sorry, aber der muss jetzt noch kommen: Will Ferrel und Christopher Walken mit einer Parodie auf „Don’t fear the reaper“ von Blue Oyster Cult – MORE COWBELL!

More Cowbell! – watch more funny videos

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6 Kommentare

  1. Hi, nicht unerwähnt bleiben sollte neben allem gesagtem, dass nicht nur das Forum und deren Mitglieder äusserst hilfbereit sind, sondern auch, dass die Entwickler selber rege mitdiskutieren und auf Anfragen eingehen. Im Grunde wird jede Beta direkt bereitgestellt und offen getestet (jeder kann mitmachen) und im direkten Kontakt mit den Entwicklern poliert.
    Apropo, das Updatetempo ist gigantisch, es gibt i.d.R. mehrere pro Monat…

  2. Ich lese dein Blog zwar wegen der Fotografie aber ich hab früher auch Musik am Computer gemacht. Da bekomme ich fast wieder lust einzusteigen. KAnnst due ein günstiges Midikeybord empfehelen?

    • Das kommt darauf an, was du von einem Keyboard erwartest. Wie viele Tasten soll es haben, brauchst du Controller oder gar eine Hammermechanik? Der günstigste Einstieg ist etwas in dem Bereich: Miditech

  3. Hmm, ich hab bislang nur die 64bit Version ausprobiert und die funktioniert einwandfrei – sofern ich das nach einer Stunde testen sagen kann.

  4. Bei mir hakelt die 32-Bit Version von der 4er etwas, aber die Reaper-Jungs haben ja schon die 4.01 angekündigt. Optisch ist das schon ein Meilenstein.

  5. Ich habs mir gleich mal gezogen.Sieht echt schick aus. Ich produziere sonst auch mit Ableton und wollte jetzt aber nicht nochmal Viel Geld für eine Software ausgeben,die im Audiobereich besser ist, bin ich mal gespannt,wie ich mit Reaper klar komme.
    Danke für den Tipp

Kommentare sind geschlossen.