Fotokunst

"Mann, Mann, Mann!" würde Atze Schröder wohl über das sagen, was man so an selbsternannten Künstler rumlaufen sieht. Seit es digitale Fotokameras gibt, ist wohl auch die Verbreitung der Fotokunst und der damit verbundenen "Künstler" explodiert. Es vergeht kaum eine Woche in der nicht eine Ausstellung eines weiteren Fotokünstlers eröffnet wird - selbst in unserer oberfränkischen Provinz. Erstaunlich dabei ist, dass sich auch immer Publikum findet und sei es der versammelte Freundeskreis samt persönlichem Versicherungsvertreter, der sonst Angst hat bei Nichterscheinen alle Verträge des Künstlers zu verlieren. Und was da so an der Wand hängt erstaunt oft zutiefst und man fragt sich, wo diese Kurse angeboten werden, in denen das Ego und Selbstbewusstsein so überdimensional aufgebaut werden kann. Da werden höchstkreative und gleichzeitig höchst unscharfe "Lichtgemälde" präsentiert welche "die Dynamik und Schnelllebigkeit der Gegenwart" in verwischten Aufnahmen, der Beine laufender Menschen manifestiert - in der Hofer Fußgängerzone samt Deichmann im Hintergrund ...
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Um die Fotokunst auch dem letzten Kunstbanausen zu verdeutlichen, wurde dabei das Bild mit „Rauschen hinzufügen“ aus dem Photoshop-Fundus versehen, denn nur echte Fotokünstler zeigen Korn im Bild – bei anderen ist es einfach Bildrauschen. Dabei werden die unvergleichlichen Werke in schicken Bilderhaltern aus Glas zu 1,99€ das Stück präsentiert, in denen auch in unserer Jugend die wertvollsten Starposter der Bravo vor dem Verfall bewahrt wurden. Was aber nur der Kenner weiß: Ein ansprechender Rahmen würde nur von der Bildaussage ablenken.

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Passt das Outfit?

Zum kunstgerechten Auftritt gehört dann natürlich ein Outfit, dass einen auch als echten Künstler ausweist – es muss der Rollkragenpulli in schwarz ran! Wenn der dann noch von einer schneeweißen Jeans oder, für den etwas alternativeren Eindruck, durch eine flatternde Leinenhose flankiert wird, weiß man wo der Frosch die Locken trägt.

Das passende Vokabular in der Richtung „ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, ob ich die Bilder nicht besser auf Baryt hätte abziehen sollen – es wirkt ja dann doch noch authentischer …“ darf natürlich auch nicht fehlen. „Ja hättest du es halt gemacht und nicht das 20×30 von Schlecker für 69ct. genommen!“ möchte man da gerne zurufen. Aber der Weg zum Künstler muss schnell und preiswert sein.

Vom Mediamarkt direkt in die Sparkasse

Gespannt lauscht man dann dem Laudator der einiges über den zukünftigen Anselm Adams zu berichten weiß. Man erfährt auch, dass der Künstler die Fotografie als DAS Ausdrucksmittel für sich gefunden hat und es seine große Leidenschaft sei, seit er sich vor sieben Monaten die digitale Spiegelreflex aus dem Angebot des örtlichen Elektronikgroßmarktes geholt hat. Hätte er sich doch lieber eine Playstation gekauft.

Die Begegnung

Nun steht man da, hat seinen Prosecco (nee, wirklich – der von Aldi ist echt gut – ganz im Ernst!) und schaut dem lustigen Treiben zu. Versammelt sind natürlich alle örtlichen Künstler, die sich über ihre neuesten Projekte austauschen, sowie der Tross Kunstkenner, die an den selbigen hängen um dann ganz vorne mit dabei zu sein, sollte einer von denen doch mal etwas reißen. Und sie sind wirklich alle da: Der örtliche Ethnomusiker, die Dozentin für naturtrüben Ausdruckstanz und der Werklehrer der Waldorfschule (zu der es HIER einen schönen Witz gibt).

Und da passiert es:

„Hey, haaaallooo – grüüüß dich!“ (Schei…., man wurde erkannt und dann auch noch „grüüüß dich!“)

„Du warst doch damals bei der Werbeagentur? Was machst du denn jetzt so? Hast du nicht auch Musik gemacht? Micha, oder!?“

„Öhhm, Mar…“

Ja ich steig‘ da ja jetzt voll ein, also so fotokunstmäßig!“ ( da war es wieder das Wort: Fotokunst – begleitet von dem einzig zutreffenden Attribut: Mäßig)

„Ich mach jetzt ja auch viel mit Photoshop!“

„Aha!“ (eigentliche Antwort auf der Zunge „Ach was!? Merkt man ja gar nicht“)

„Und!? Wie findest du die Bilder? Geil oder!? Ich konnte mich ja gar nicht entscheiden welche ich von meinen 9000 Fotos ausstellen soll – die sind alle gut! Für dich übrigens 20% off wennst eins kaufen willst! „.

„Ähhh …“

„… mit was fotografierst denn du so, ich hab letztens zufällig deinen Blog gefunden, D80 war das oder? Naja, hatte ich auch, aber die habe ich zu schnell ausgereizt, ist halt auch so ein Einsteigerding. Ich hab mir dann gleich die D2 geholt, weil ich doch das letzte Quäntchen aus den Motiven rausholen möchte.“

„Hey, ich schreib dir auch einige Artikel für deinen Blog, so mit Photoshoptricks, Bildgestaltung und sowas alles! Kein Problem! Kannst bestimmt gut brauchen – ich schick dir da gleich mal was – oder richte mir doch gleich einen Account ein … dann kann ich gleich selbst posten!“

„Häää?“

„Vielleicht können wir ja auch mal was zusammen machen?“ (mein absoluter Lieblingssatz!)

„Ach, ich hab recht wenig Z…“

„Der Fernando von dem neuen Edelitaliener – weißt schon – hat mich gefragt, wie’s mit einer Ausstellung bei ihm aussieht!“

(Nee nee, der hat dich nicht gefragt, den hast du so lange belabert bis er ja gesagt hat – nur dass du endlich die Klappe hältst. Außerdem ist dein Vater sein Vermieter.)

Fernando, oder der Glutamat-Ferdi wie wir ihn immer nannten als er noch die Vereinspizzeria hatte und noch kein „Ristorante“ war, wollte sich auch in den Reigen der hippen Starköche gesellen und ist bestimmt der Meinung, dass er bei „Kerners Köchen“ gut aufgehoben wäre. Deshalb jetzt erst einmal ein bisschen auf Kultur machen, der Rest dann wird schon.

„Hast gelesen, dass ich ausstelle und musstest gleich spionieren kommen, hää?“

„Nee, eigentlich bin ich in die Sparkasse gekommen, weil ich Geld abgeben wollte und plötzlich hat mir jemand im Foyer ein Glas in die Hand gedrückt! Tschüüühüüüss!“

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27 Kommentare

  1. Hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt,ist eher noch schlimmer geworden. Das einzig " kreative" sind die z.T. unglaublichen " Berufs"-Bezeichnungen auf ihren HP.

  2. Genial, den Text feiere ich auch, aber er kommt nicht ganz an den „mit 10 Regeln Profifotograf werden“ heran ( mir fehlen die Powertips !)
    Dafür ist der Beitrag viel lehrreich!
    Bin ja auch „Fotokünstler“ und konnte in deinem Beitrag viele neue Tipps was Auftreten und Vermarktung betrifft entdecken (Sparkasse,Austellung,Sekt und Leute nötigen das sie nen Gastbeitrag in ihrem Blog von mir veröffentlichen..ach wo wir beim Thema sind….[„“Hey, ich schreib dir auch einige Artikel für deinen Blog, so mit Photoshoptricks…“] 🙂
    Gruß aus Berlin

  3. So witzig wie das alles ist, aber worüber sich hier im kleinen Stil lustig gemacht wird, ist bei den „richtigen“ Fotokünstlern Gang und Gäbe.

  4. Ein großartiger Artikel! Astrein geschrieben!
    So etwas hilft immer, sich selbst zu beobachten und zu suchen, ob man solch unangenehme Dinge an sich selbst entdecken kann. Und da sollte jeder ehrlich zu sich sein!

    Ich habe genau das Problem mit der sogenannten „abstrakten“ Fotografie. Bilder die mich kriegen, Bilder die mich langweilen, aber nur mich.. Bilder, die man aufgrund des Fotografennamens toll finden muss.
    Nein, muss man nicht!

    Ich glaube, einer der großen Fehler der Fotografie Lehrenden war der Satz: „Such Dir ein Detail raus.“

    Irgendwelche Ecken von irgendwas fotografieren, nur damit es abstrakt und nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, regen mich auf. Ich kann nichts dagegen tun.

    Danke Dir!

    M.

  5. Das kommt mir doch sehr bekannt vor. 😀

    Ich würde mich mit meinen Knipsereien jedenfalls nicht in die kunstinteressierte Öffentlichkeit trauen. Vielleicht bin ich einfach nicht abgebrüht genug.

  6. 🙂 sehr gut.
    ich geh jetzt zu glutamat-ferdi mittagessen…. 🙂

  7. Meine Mittagspause war gerettet, herrlich gelacht. Doch bei längerem Überlegen sind mir Zweifel gekommen, ob nicht in fast jedem Fotografen ein kleiner „Fotokünstler“ schlummert. Jeder fängt mal klein an und mancher der anfangs belächelt wurde, wird heute als großer „Star“ gefeiert, obwohl die Belanglosigkeit seiner Bilder geblieben ist. Natürlich wird von diesen etablierten „Künstlern“ wie auch gelernten Fotografen alles andere als Knipserei abgetan. Doch durch die Entwicklung der Technik in den letzten Jahren sind die Zugangsbeschränkungen zur Fotografie immer weiter verschwunden und so sind die Grenzen zwischen Künstler und Hobbyknipser auch fließend und nicht feststellbar. Vielen Bilder so genannter Knipser gefallen mir persönlich oft besser als die hoch gelobter Künstler.
    Letztens war ich in einer Ausstellung von Russel James und ich dachte bei so manchen Bild: hübsch, aber warum soll dass Bild jetzt mehrere tausend Euro kosten?! Ist es jetzt die Körnung oder schiefe Hintergrund. Aber wahrscheinlich war dieser genau so gewollt und es sollte aussehen, wie ein Schnappschuss! Natürlich waren auch genug „Experten“ vor Ort, die über die schwerwiegende Bedeutung der Bilder sinnieren konnten.
    Also neben dem Filmkorn nicht den schiefen Horizont vergessen, dann die Preise ordentlich hochsetzen und dann klappt es auch mit der Künstlerkarriere 😉

  8. Danke für diesen sehr lustigen Start in den Tag!

    Macht immer wieder Spaß deinen Blog zu lesen. Du schreibst wirklich sehr gut und immer genau das, was man schon immer gedacht hat. *grins

    Sehr schön, immer weiter so!

  9. Hmm, „Körnig und Bewegungsunschärfe“ also?

    Nur blöd, wenn die das Zeuch dann wirklich erfolgreich an den Mann bringen.

    Nicht alle Kaputten werden Fotokünstler….manche werden auch „Kunstsammler“ 🙂

    LG urban thinking

  10. Treffer! Wirklich gut geschrieben! „Jeder“ kann gute Photos machen… Ein Kollege von mir ist in eine Galerie mit einer Auswahl seiner Photos gegangen. Zitat: Körnig und Bewegungsunschärfe, das kann man verkaufen… Na dann, weiterhin viel Spass auf diversen „interessanten“ Vernissagen, …schon länger ohne mich.

  11. Oh oh, ganz großen Dank für diesen erheiternden Moment. Ich musste trotz oder vielleicht auch wegen der Peinlichkeit herzlich lachen. Über dieses übersteigerte Selbstbewusstsein wundere ich mich immer wieder. Trifft man ja in vielen Lebenslagen und -bereichen an. Am Ende kann man diejenigen aber auch fast schon beneiden, da sie nichts merken und wohl auf ihre Weise glücklich mit der welt sind. Wie auch immer, sehr gut beobachtet und prima geschrieben. Danke, Jens

  12. oh wie hast du mir aus der seele gesprochen…ich kann sie nicht mehr hören, ich kann sie nicht mehr sehen, diese ganzen lichtmaler und nachfotografierer.
    horst

  13. Ihr seid doch alle nur neidisch 😉
    EXTREM witzig das! Der Glutamat-Ferdi booohahahahaaa …
    *Siggi*

  14. Danke für den Schmunzler zum Mittagessen im tristen
    Büro. Hast mir den Tag gerettet 😉
    gruss Adrian

  15. Man man man, hab gerade Tränen gelacht. Bitte lass uns das nächste mal zusammen solche Fotokünstler besuchen. Das wird garantiert witzig.

    Zu geil der Bericht… weiter so!

    Jörg

  16. You made my day !!!

    Obwohl, ich schäme mich auch ein wenig. Ein wenig „ichwäregerneinfotokünstler“ steckt auch in mir. Aber ich peitsch es raus. Versprochen !

    stefan

  17. Wo gibt denn dein „Kumpel“ Seminare zum Thema Größenwahn? Wobei, da bleib ich lieber noch ein paar Jahre Fotoanfänger.

  18. HAMMERGEIL! Ich hau mich weg !!!! Die Typen kenn ich auch !!!!!!!!!!!! Markus auf die Bühne !!!

Kommentare sind geschlossen.